Donnerstag, 17. Dezember 2020

Home Holidays

Folgerichtig wird in dieser Zeit die Heimarbeit an freien Tagen als Heimurlaub fortgesetzt. Während ich in den letzten Vorweihnachtszeiten beständig Zuflucht in Spanien fand, muss jetzt das dezemberliche Hamburg reichen. So gut Vorstellungskraft und Phantasie auch ausgeprägt sein mögen, es gelingt mir nicht aus Grünkohlpflanzen vor meinem geistigen Auge Palmen zu zaubern. Nasse Füße durch zu viel Modder im Schuhprofil provozieren auch nicht unbedingt die Bilder, mit nackten Füßen durchs Mittelmeer zu waten. Wenn sie denn einmal scheint, imitiert die hiesige Sonne aus tiefem Winkel und mit wenig Wärme definitiv nicht die des Südens. 
Doch wie üblich machen wir das beste aus der Situation. Unser „Urlaub in Italien“ (nicht wegzudenkender Bestandteil der „Fight the Virus“-Playlist) ist demnach ein Ausflug nach Moorfleet mit Spaziergang - daher immerhin mit nassen Füßen - und einem Besuch des dort ansässigen italienischen Spezialitätenladens. Dass wir auf dem Weg dorthin den Orient mitnehmen, steigert die Exotik nur: durch unvermeidliche Baustellen vom üblichen Weg abgebracht, befinden wir uns plötzlich inmitten im Stau zwischen Mercedessen und polnischen Lastwagen in einem Gewerbegebiet, in dem sich scheinbar endlos ein Markstand an den anderen reiht. Maximal gefüllt mit der üblichen Mischung aus Kleidung, Koffern, Töpfen, Teppichen und Kinderfahrrädern, ergänzt durch Second Hand-Kühlschränke, angereichert mit Plastikweihnachtsbäumen und ähnlicher Deko. Hervorgehoben durch blinkende bunte Schilder mit Leuchtschrift, auf denen sich Schlagwörter wie „Großhandel“, „Sonderpreis“, „Teppiche“ und „Import“ abwechseln. Dazwischen das passende Gewusel an Verkaufspersonal und Fußgängern. Unsere Sommerfrische an der See besteht aus einem Ausflug zur Wedeler Marsch. Auf dem Deich und mit viel Nebel klappt die Vorstellung, am Meer zu sein. Zugegeben, in ihrer Farbgebung ist es um diese Jahreszeit in jedem Fall die zurückhaltend-norddeutsche Variante des Meeres und nicht die ihres übertrieben bunten Parvenu-Stiefbruders, des Mittelmeers. Die vorherrschenden Farben sind - ein immerhin lichtes - Grau und Braun. Außerdem etwas Grün, lauer Witterung sei Dank. Auf dem Weg müssen wir immerhin nicht aufpassen, auf scharfkantige Muscheln zu treten, hier sind Schafshaufen die Hürden. Ein Hauch fremder Kulturen umweht auch den Deich, schließlich treffen wir neben den normalen Spaziergängern („Das ist ja das Tolle heutzutage. Wenn die Bilder nichts werden, kann man sie einfach wegschmeißen.“, „Meine Kusine Renate habe ich 1976 das erste Mal kennengelernt und seitdem auch nie wieder gesehen.“) auch auf vier junge Männer mit Profi-Kameras, die wir anhand ihres Idioms als Mitglieder der Associazione Giovanile Ornitologi vermuten. Einer von ihnen erzählt ausladend gestikulierend von Turkmenistan. Anzunehmen, dass auch dieses Land ein Kleinod der Vogelsichtung ist. Eine Vertiefung des Themas gibt die Kürze der Begegnung wie auch meine verbesserungswürdige Kenntnis der italienischen Sprache nicht her. Hier vor Ort sind selbst für uns Laien mit bloßem Auge viele Vögel zu sehen. Wenngleich in wenig Variationen: es scheint sich im wesentlichen um viele Enten oder Gänse der gleichen Art zu handeln. Ihre Spielregeln erschließen sich uns nicht. Irgendwann wechseln sie unter großem Geschnatter und Getöse das Feld - Halbzeit?. Die Wintersonne bricht durch den Nebel und wir beklagen, Sonnenbrillen und Sonnencreme vergessen zu haben. Wenn das man gut geht! Wieder einmal die Schuhe (in meinem Fall auch die Hosenbeine) voller Matsch kehren wir zufrieden zum Auto zurück, dessen zulässige Parkzeit wir nur leicht überschritten haben. Einzig der aus Gründen verhinderte Besuch in einem Café trübt die Urlaubsstimmung leicht. Doch uns bleiben noch immer Sehnsuchtsorte wie Aumühle, Blankenese oder Tiefstack.



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