Freitag, 4. Mai 2018

Aussichten

Längere Zeit war ich jetzt stumm. Das liegt am recht erlebnisarmen Leben. Man merkt, dass es nicht mehr uneingeschränkt aufwärts geht, wenn man seine Tage in scheddrigen Orthopädenwartezimmern unter flackerndem Neonlicht verbringt. Inwändig summte ich dort Kraftwerk, auch wenn es bei ihnen schimmernd und nicht flackernd ist. Zum Glück hatte ich länger Gelegenheit dazu, denn der Termin ließ trotz bestechend präziser Vereinbarung auf sich warten. Die ausgelegte Lektüre, die nicht aus dem eigenen Haus kam, barg wenig Reiz. Ich hätte schon sehr verzweifelt sein müssen, um mich in den zahlreichen AutoBild zu vertiefen. Vor dem Röntgen wurde ich zwar noch pflichtschuldig gefragt, schwanger sei ich ja wohl nicht? Aber es schwang doch schon sehr viel von In-dem-Alter-hat-man-doch-ohnehin-keinen-Sex-mehr-und-wenn-doch-zündet-es-sowieso-nicht-mehr in Blick und Tonfall der Sprechstundenhilfe („seit einer Woche habe ich meinen Röntgenschein“) mit. Als ob das Altern einem nicht allein dadurch stets bewusst würde, dass die Brut bald komplett volljährig ist. Der Befund war ähnlich aufbauend. Selten sind solche Aufnahmen meines Beckens Quell großer Freude gewesen. Doch diese war selbst für mein profundes Halbwissen wenig schön. Alt, abgenutzt und verzogen eben.
Und dann ist zu Hause alles vergessen, wenn der Sohn uns avisiert: „Ich koch‘ für Euch, Ihr leyleks!“ Was es auch heißen möge. 

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