Freitag, 11. Mai 2018

Traumpaar

Als ob sie um meine eingeschränkte Mobilität wüssten, haben sich Tauben in einer Ecke zwischen meinem Schlafzimmer und dem Wohnungseingang ein Nest gebaut. Im Grunde war ich nicht ganz unglücklich darüber, dass es von meinen Schlafzimmerfenstern aus nicht einzusehen und nicht zu erreichen war. Sonst hätte ich die mörderische Aufgabe übernehmen müssen. Da ich die Brutstätte jedoch aus mehrerlei Gründen (Dreck, Krach, Präzedenzfall) losgeworden wäre, schrieb ich eine Nachricht an alle Nachbarn mit der Bitte, mir bei der Beseitigung zu helfen. Prompt reagierte der Lieblingsnachbar. Als Einziger. Ich solle das Problem als gelöst betrachten, er kümmere sich. Ja, es gibt sie noch, die Kavaliere der alten Schule. Blöd nur, dass er - wenn auch ohne mein körperliches Handicap - ansonsten die gleichen Widerstände spürt wie ich: Höhenangst und sich schuldig zu machen am Tod von Lebewesen. Anders als ich hat er immerhin versucht, die ersten drei Meter der Leiter zu erklimmen, ehe er die tödliche Mission abbrechen musste. Jetzt lerne ich ihn mit all‘ seinen Zweifeln kennen, meinte der Nachbar. Sie sind mir nicht fremd. Umso höher rechne ich ihm die Aktion an. Und umso gerührter war ich. Gilt ganz bestimmt nicht für alle, aber hatte ich erwähnt, dass ich die besten Nachbarn der Welt habe? Wen stört da Taubendreck.

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