Montag, 16. Oktober 2017

Gesammelte Werke

Ein Wechselbadwochenende. Erst hatte ich keine Brieftasche, als ich Freitag bei der Arbeit ankam. Es gab die Alternativen Vergessen, Verloren oder Geklaut. Ich hoffte auf Ersteres. Um das in Erfahrung zu bringen, klingelte ich die Tochter aus dem Bett, die zum Glück ein nächtliches Gastspiel bei uns gab. Entsprechend verlangsamt waren ihre Reaktion und ihre Suche. Noch mehr Glück: die Brieftasche liege auf dem Küchentisch, sagte sie irgendwann nach sehr, sehr langer Zeit. Nun gab es nur noch das Problem mit der Mittagspause; sie zu bestreiten gestaltete sich ohne Geld und Hausausweis schwierig. Ein Freund und Kollege hielt mich aus. Und ich kam neben der pekuniären Lösung in den Genuss eines höchst vergnüglichen Lunchs.
Doch dann dachte ich, Freitag, der 13. setze sich am Samstag, den 14. fort. Ich nötigte den Sohn, an den Entrümpelungen seines Zimmers zumindest mitzuwirken. Als wir gerade eine Matratze unsere Showtreppe herunterwuchteten, glaubte ich mich bereits auf der letzten Treppenstufe, war aber erst auf der vorletzten oder gar vorvorletzten, und verknackste mir fies den linken Fuß. Als ich im wahrsten Wortsinne am Boden lag, fiel mir wieder auf, wie sinnvoll doch die Fähigkeit zum räumlichen Sehen sein könnte. Das Gute war: alle Folgearbeiten dieser Disziplin verschoben sich in die alleinige Obhut des Sohnes (der sich allerdings noch Unterstützung von seinem Freund holte).
Zum Abend standen dann die Zeichen auf Party. Als ob das nicht genug der Freude wäre, bot mir besagte Feier auch noch die Möglichkeit, die Tochter zu sehen. Sie schrieb mir - ausnahmsweise keine Sprachnachricht! -, dass sie auch am Start sei. Ich antwortete ihr, sie erkenne mich am Kleid. Darauf erstarb die Kommunikation. Ein wenig schwierig wurde es bei der Vorbereitung, meinen Fuß in die Sandale zu pressen. Aber offenes Schuhwerk Mitte Oktober, das muss ausgenutzt werden! Da muss man sich schon mal am Schlüpper reißen. 
Auf der Party gab es ein zu dekorierendes Gästebuch für die Jubilarin. Das befand sich aus Diskretions- wie aus Klimagründen auf dem Balkon. Ebenso erfreulich wie unerwartet, dass ich die Bastelarbeiten trotz Schummerlicht unverletzt überstand. Nicht umsonst bin ich die Einzige in unseren Breitengraden, die es geschafft hat, sich auf einem Kindergarten-Elternabend eine Kinderschere so in den Handteller zu rammen, dass ich blutete wie abgestochen und mich freute, dass die Schere nicht auf dem Handrücken herausguckte. 
Es war eine schöne Geburtstagsfeier. Die Tochter meinte: „Mama, du fühlst die Playlist, oder?“ Und sie hatte recht. Doch nicht nur die Musik war - wie die Tochter sagte -  „ein Banger“. Auch die bildende Kunst kam nicht zu kurz. Ich bekam mein kürzlich erworbenes Bild. Es ist nun wirklich in meinem Besitz! Selbst dem Sohn gefällt es. 
Dass ich jedoch nach ausgiebigem Partyleben erst sehr spät im Bett war, ließ den Sonnensonntag sehr kurz werden. Außerdem war ich ganz offenkundig noch nicht im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte, als ich nach dem Aufstehen (Vormittag konnte man nicht mehr dazu sagen) auf dem Balkon die Zeit las. Die Literatur-Beilage hatte ausschließlich Schule zum Thema. Irgendwie sehr einseitig. Beim Zuschlagen des Heftes löste sich das Rätsel auf: ich hatte den Titel falsch gelesen, es war die Beilage „Zeit Abitur“ (nicht Literatur). Manchmal fehlt mir nicht nur das räumliche sondern auch das sinnentnehmende Sehen.

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