Dienstag, 10. Oktober 2017

Der Jubilar

Manchmal bin ich beeindruckt, wie sehr meine Kinder wie ein Ehepaar nach der Diamantenhochzeit wirken. Als ich das Glück hatte, die Tochter vor nicht allzu langer Zeit einmal zu sehen, erkundigte ich mich bei ihr, ob sie schon ein Geschenk für ihren Bruder habe. "Wir schenken uns nichts", war ihre Replik. Geht es noch protestantisch-freudloser? Gestern fragte sie mich dann (wieder wie üblich via dreiminütiger WhatsApp-Sprachnachricht, an der alle Kollegen teilhaben konnten, weil der Sohn mir natürlich den Kopfhörer gemopst hat), ob ich glaube, dass es ok sei, wenn sie erst im Laufe des Tages zum Geburtstag ihres Bruders erscheine. Sie sei von ihrer Freundin - nach einem unmenschlich langen Monat Abwesenheit gerade erst wieder zurück in Hamburg - zum Nick Cave-Konzert eingeladen. Da werde es sicher später und dann sei es besser, wenn sie bei ihrem Freund übernachte. Das sehe ich doch auch so? Wer wollte so vielen Worten widersprechen? Nach einigen Jahren des Zusammenlebens sollte das kein Problem sein. Eine Assistenz bei der Vorbereitung hatte ich ohnehin nicht erwartet. So ging es nach der Arbeit im Schweinsgalopp zum Einkaufen, Kuchenbacken, Dekorieren. Ich legte dem Sohn nahe, er wolle am Vorabend seines Geburtstages doch bestimmt früh ins Bett gehen. Er hatte noch eine viel bessere Idee: er verbringe den Abend in der Wohnung seiner Großeltern, in der aus Gründen zufällig gerade sein Freund untergebracht ist. Auch gut. So konnte ich ungestört wirtschaften. Irgendwann kam dann doch der kleine Junge in ihm durch, als er an der Wohnungstür klingelte, sich (ungelogen!) die Augen zuhielt und mich bat, ihm Schlafsachen zu geben, damit er auch im Exil übernachten könne. Blind taperte er ins Badezimmer, um sich dort noch die Zähne zu putzen. Ich musste an mich halten, um die asiatische Gesichtsbeherrschung zu wahren und um ihm zum Pyjama nicht noch ein Kuscheltier mitzugeben.

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