Dienstag, 17. Dezember 2019

Richtigstellung

Behauptete ich gestern noch, hier passiere nichts, muss ich es nun revidieren. Was definitiv nicht passiert, ist ein Sonnenbrand, denn es ist grau draußen. Eine Idee heller als das vorweihnachtliche Steingrau, das den norddeutschen Himmel charakterisiert, aber in keinem Fall blau. Der Übergang zwischen Himmel und Meer ist auch nur für Eingeweihte zu erkennen. Um also diesem Einerlei zu entfliehen, beschlossen wir, die Vorräte etwas aufzustocken und machten uns auf den Weg zum ersten Supermarkt am Ort. Wir frohlockten darüber, wie angenehm leer es dort an einem frühen Montagnachmittag ist. Selbst ein Parkplatz in der Nähe des Ladenzugangs war möglich. Der Einkauf verlief wie erwartet reibungslos, doch kurz war die Freude über die vielen Descuentos und Regalos. 

So fanden wir den blöden Kia wieder. 
Weit und breit keine weiteren Autos, aber das beulige goldene hatte es trotzdem geschafft, das rote Ding mit dem schlechten Karma anzuditschen. Weil der Wagen so stand, vermuteten wir, der Fahrer sei in den Laden gegangen und lasse uns gerade ausrufen. Es zeigte sich, dass nichts dergleichen passiert war, als ich eine Sicherheitsmitarbeiterin ansprach und ihr ein Foto des Malheurs zeigte. Erst fragte sie mich jedoch noch, welches nun mein Wagen sei. Ich versuchte, so viel Empörung wie mir auf Spanisch möglich ist in die Antwort „Der rote!“ zu legen. Bin vermutlich nicht der Kia-Typ. Sie zuckte nicht. Erst als ich fragte, ob man die Polizei einschalten solle, sah sie mich mit wahngeweiteten Augen an und widersprach vehement. Zurück zum Auto passierte erst einmal länger nichts. Dann kam ein netter junger Mann von der Sicherheitsfirma, der mich übertrieben hysterisch fand, als ich nochmals die Polizei ins Spiel brachte. Erst als ich feststellte, es handele sich um einen Leihwagen, war ich wieder halbwegs rehabilitiert. Er murmelte „Mala suerte“ vor sich hin und schob den anderen Wagen weg. Der ließ sich verschieben, denn er hatte zum Glück keinen Gang eingelegt, aber zu unserem Pech eben auch keine Handbremse („freno de mano“). So war der Wagen, nachdem der Fahrer ihn abgestellt hatte, wegen des abschüssigen Parkplatzes lustig heruntergerollt und eben gegen den Kia gedotzt. Jetzt war es an mir, mit großen Augen zu gucken. Ach, wenn ich wüsste, wie häufig das hier vorkomme! Nach geraumer Wartezeit erschien auch der Fahrer des Wagens. Der, wie er nicht ausließ zu erwähnen, nicht der Besitzer des Wagens sei, sondern ihn auch geliehen hatte. Ich glaube, ich hätte ihm kein Fahrzeug außer vielleicht einem Rollstuhl mehr gegeben, auch wenn sein Führerschein, wie ich jetzt weiß, noch bis zum Jahr 2021, seinem achtzigsten Geburtstag, gültig ist. Sehr klar wirkte er nicht mehr. Noch später kam seine Frau dazu, erkundigte sich, was Miguel schon wieder angestellt habe (so viel zu meinem Eindruck von der Fahrtüchtigkeit) und verzog sich auf ihren angestammten Platz ein wenig abseits. Die Männer waren sich einig, so etwas passiere nun mal, und begannen ein Formular zu suchen, das ich am Ende in „meinem“ Handschuhfach fand. Der Unfallverursacher versuchte noch, mich davon zu überzeugen, man sehe am Kia doch gar nichts (Du vielleicht nicht!). Da sprang mir der Sicherheitsmann zur Seite: ja, es sei nur eine kleine Stelle, aber eben ein Leihwagen; mit den Firmen sei nicht zu spaßen und am Ende habe „la chica“ (Danke!) den Ärger. Der ältere Mann jaulte, sein Auto sei doch auch geliehen (Wer war nochmal Verursacher? Und guck‘ dir die Beulenkiste mal an, El Blindo!). Irgendwann zog ich mir nochmals den Unmut der beiden auf, als ich doch glatt das Formular noch durchlesen wollte, ehe ich es unterschrieb. Zum Ende wurde alles mit Handschlägen besiegelt. Zu seinem gab mir Miguel noch ein „Encantado“ mit, was ich nicht ernsthaft bestätigen kann. Auch seinen anschließenden Ausruf „¡hasta luego!“ teile ich nicht. Ein Treffen (!) reicht mir völlig. Denn auch die Hoffnung, er könne vielleicht wenigstens beim nächsten Mal um Entschuldigung bitten, habe ich verloren.

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