Montag, 30. Dezember 2019

2019 - Menschen, Tiere, Emotionen

Da mir Dienstleistung in die DNA geschrieben ist und Print und Fernsehen ihre Entsprechungen schon seit dem November heraushauen, wird es wohl Ende Dezember höchste Zeit für meine eigene Jahresbilanz. Los geht’s, da müssen wir jetzt alle durch!

Januar 
Der erste Monat des Jahres beginnt für mich gleich mit Paukenschlägen, die nicht Feuerwerk heißen. Zum ersten informiert mich der Noch-Gatte in einer Mail darüber, dass er entgegen unseren vorangegangenen Besprechungen die Scheidung eingereicht habe. Wie gut, dass er im Post Scriptum bereits das Aktenzeichen mitliefern kann. Am Folgetag finde ich schon das Schreiben des Amtsgerichts im Postkasten, die zeigt, dass beide sich vier Wochen Zeit gelassen haben mit der Information an mich. Während ich dem Amtsgericht noch unterstelle, mit Umgangsregelungen über Weihnachten alle Hände voll zu tun gehabt zu haben, vermute ich beim Initiator des Ganzen, dass ich keine Chance mehr bekomme, meine Millionen (welche genau?) beiseite zu schaffen. Zum zweiten ist mein neuer (aufgewärmter?) Arbeitsvertrag in der Post, so dass ich mich beim alten Arbeitgeber mit einem „Unter den Bedingungen unterschreibe ich den Mist nicht“ für das schöne verspätete Nikolausgeschenk - sie nennen es „Kunstgriff“, ich nenne es Knebelvertrag - bedanken kann und dort etwa acht Arbeitstage später raus bin. So kann ich kurz nach dem Sohn für einige Tage das Land verlassen und anders als der Sohn in der Sonne ein bisschen Wunden lecken. Ein Modell, von dem ich überlege, es auch im kommenden Jahr fortzuführen.

Februar 
Obwohl dieser Monat normalerweise in meinem eigenen Gammelmonat-Ranking nur kurz hinter dem November und Januar steht, ist er dieses Jahr aufregend. Alt und neu, spannend und vertraut miteinander vereint. Arbeiten, ich habe es noch drauf! Und werde für mein Werk auch noch überraschend viel gelobt. Innerhalb dessen gibt es auch im zweiten Monat in Folge ein paar Tage Sturmfreiheit. Überraschend, dass ein Februar so gut gehen kann.

März 
Kein schlechter Monat, aber auch kein spektakulärer. Das wird daran deutlich, wenn ich sage, dass die Highlights des März‘ ein toller Wochenend-Workshop, zeitweilig schönes Wetter und ein Konzert mit zwei Schweizern waren.

April
Ein Zeitraum, über den sich auch in diesem Jahr vor allem Geburtstag, Ostern und Frühlingsgefühle sagen lässt. Positiv kam 2019 hinzu, dass eine fast sommerliche, schöne kleine Flucht nach Berlin eingebaut war und dass wir eine Reise nach Moldawien klargemacht haben.

Mai 
Wäre da nicht der Tod Wiglaf Drostes gewesen, wäre die diesjährige Variante als Bombenmonat durchgegangen. Neben den üblichen freien Tagen lieferte er ein Element of Crime-Konzert (draußen und ohne Gewitter!) und sechs Tage in Moldawien. Postsozialismus mit überraschend wenig Post. Ich kann gar nicht sagen, was ich am beeindruckendsten fand: Dass das Land so arm ist und doch so wenig weit von uns entfernt in Europa liegt? Dass es dort Menschen gibt, die am Straßenrand sitzen, Kirschen oder Blumen verkaufen und doch ein modernes Smartphone in der Hand haben? Dass die Netzabdeckung besser ist als in Deutschland? Dass die Menschen so freundlich sind, die wenigen Touristen nicht ausnehmen, behumsen oder gar beklauen? Dass es Kirschen, Wein, Nüsse, Tomaten, Auberginen, Torten im Überfluss zu geben scheint, aber keine Bäcker, die einfach nur Brot verkaufen? Dass es keine Reiseführer und fast keine Postkarten gibt und dass das Tourist Office ein eher verstecktes Dasein pflegt? Dass sich in vollgestopften Oberleitungsbussen immer noch eine Fahrkartenkontrolleurin (Automaten gibt es nicht) durchquetscht, die neben dem Kartenverkauf auch Plätze organisiert und managt? Dass die Hauptstadt Chișinău eine typisch östliche „Prachtstraße“ hat, in deren unmittelbarer Peripherie Hühner auf kraterigen Nebenstraßen herumlaufen, als ob sie sich in einem usbekischen Straßendorf befänden? Dass es deutsche Touristen gibt, die die Schönheiten aus der Hotellobby noch von einem Satz von umgerechnet etwa 6,50€ meinen herunterhandeln zu müssen? Dass Wein nicht nur in Unmengen produziert wird, sondern sich qualitativ auch mit deutschem, französischem oder spanischem mehr als messen kann? Dass das Land großflächig unterkellert zu sein scheint, um den Wein zu lagern und dort ein Straßensystem zu haben, das größer und besser organisiert ist als hier im beschaulichen Dorf? Dass der Taxifahrer zum Flughafen auf 70 km/h herunterbremst, um über die eingebaute Bodenwelle (30 km/h Höchstgeschwindigkeit) zu fliegen? Dass sich der östliche Teil des ohnehin kleinen Landes danach sehnt, endlich wieder Sowjetrepublik zu werden und das Ansinnen auch knallhart durchzieht, obwohl es darin von niemandem, nicht einmal Russland, anerkannt oder gar unterstützt wird? Dass man dort mit transnistrischen Rubeln bezahlt und koscheren Weinbrand erwerben kann? Dass das iPhone nach der rumpeligen Tagesreise im scheddrigen Minibus (inkl. mehrerer Paniksituationen) 29 erklommene Stockwerke gezählt hat? Dass ich als Schisserin gewagt habe, das Land trotz Warnungen aus dem Umfeld zu besuchen? Und am Ende von der Reisebegleitung noch gesagt bekomme, ohne mich hätte sie sich die Reise nicht getraut? Ich weiß es nicht.

Juni
Verglichen mit dem Vormonat schnitt der Juni etwas blasser ab. Zwar begann er mit einem überraschend schönen Bryan Ferry-Konzert im Berliner Tempodrom, auf dem er zu „Jealous Guy“ ganz anständig pfiff. Doch dann ging er von einer immer noch überraschend schlechten Eigentümerversammlung (einzig positiver Aspekt: dass sie vermutlich die letzte mit Gattenteilnahme war) über stinkende Windelentsorgung der Nachbarn auf der Gemeinschaftsfläche in einen schmerzlichen Kollegenabschied über. 

Juli
Der Start der e-Scooter-Hysterie machte den dritten J-Monat nicht besser als den zweiten. Der Juli bestand in meiner Erinnerung ohnehin hauptsächlich aus zu viel Arbeit, zu wenig sommerlichem Wetter und einem abgewendeten Scheidungstermin.

August 
Auch dieser Monat brachte viel Arbeit und unsägliche Nachbarschaftsversammlungen. Aber auch sturmfreie Tage in Hamburg und ein schönes Wochenende in Berlin. Daneben konnte ich noch mein einjähriges Ersatzteiljubiläum und den einundzwanzigjährigen Hochzeitstag begehen. Da letzeres kein echtes Highlight ist, wenn die Scheidung in nicht allzu ferner Zukunft ansteht, feiere ich eben lieber das Durchhaltevermögen meiner Anwältin und den daraus resultierenden Verhandlungserfolg über die Gegenseite.

September
Zu Beginn des letzten Sommermonats schienen sich alle in den Urlaub abzusetzen. Das kann zwar als einzige Zurückgebliebene ärgerlich sein, kann aber auch erfreuen, wenn schöne Stunden der Sturmfreiheit dabei herauskommen. Letzteres entspricht wahrscheinlich eher meiner Art zu denken. Ansonsten erinnere ich mich an viel Nässe nach Fahrradfahrten zur und von der Arbeit.

Oktober
Ich gönne mir vier freie Tage (zwei Arbeitstage), um erstens den Dezember mit dem üblichen Urlaub noch zu erleben und zweitens traditionell den Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit zu entgehen. Die Sonne ist bitter nötig, auch wenn sie zu leichten Sonnenbränden führt. Es folgt der unspektakuläre 19. Geburtstag des Sohnes, der so unspektakulär ist, dass ihn die gesamte Schwiegerfamilie einschließlich des angehenden Ex-Gatten, auch liebevoll Kindsvater genannt, ignoriert. Um mich von diesem Tiefschlag zu erholen, wird wieder eine kleine Flucht nach Berlin eingebaut, die nicht nur wegen des Bombenwetters (Sandalen am 20. Oktober!) positiv in Erinnerung bleiben wird. Zum Ende des Monats wartet die wiederum traditionelle Eierschlacht mit anschließendem Fensterputzen auf mich. Halloween ist eben Premiumbrauchtum. Zusammenfassung: In diesem Monat gab es immerhin zwei Feiertage, die anständig auf einen Donnerstag fallen. Nicht alles wird im nächsten Jahr besser.

November
Noch mit den letzten Ei-Ausläufern des Quasi-Reformationstages beschäftigt kann ich wie jedes Jahr wenig finden, was mich für die Jahreszeit begeistert. Diesjährige Highlights: erfolgreich absolvierter Notartermin mit der Gewissheit, demnächst alleinige Eigentümerin einer Wohnung in unserem beschaulichen Dorf zu werden, Thanksgiving und 1A-Adventsvorbereitungen inkl. Pfauen-Adventskranz.

Dezember
Wie jedes Jahr bereite ich mir meinen Adventskalender selbst, indem ich auch dieses Mal zum Jahrestag des schlechtesten Tages 2018 in die Sonne entfliehe. Schwamm drüber, dass die ersten sechs Dezembertage aus so übertrieben viel Arbeit bestanden, dass mich die Putzkräfte mit der Ansage nach Hause schickten, ich sei jetzt wirklich und wieder einmal die einzig Verbleibende im ganzen Haus. Sonne, Lektüre und Wein lassen vieles vergessen. Wie jedes Jahr besteht die Schwierigkeit (Erst-Welt-Probleme) darin, sich anschließend in Bestzeit in Weihnachtsstimmung zu bringen. Doch auch das gelingt hervorragend mit entsprechendem Essen und ebensolchen Getränken.

Im Nachhinein bin ich überrascht, dass alles nicht einmal vor einem Jahr passiert ist. Speziell Jobwechsel und die Frankreich-Affinität des Sohnes scheinen eigentlich Äonen zurück zu liegen. Trotz Fehlstarts kein wirklich schlechtes Jahr, aber eines, das fürs nächste noch Einiges an Luft nach oben lässt. 2020 ist schließlich ein Fußballjahr und kann jetzt kommen. Meine Meinung.



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