Dienstag, 30. März 2021

Resturlaub

Wenn ich es nicht schon wäre, käme spätestens jetzt der Moment kulturkritisch zu werden. Hysterisch wird ein geplantes Gebäude gegenüber beklagt, das ein Stockwerk höher als das Bestandsmodell ist und uns auf der Ostseite einer schmalen Straße so wahnsinnig viel Schatten bringen wird. Mindestens genauso panisch wird auf steigende „Inzidienzien“ (Uli Hoeneß) gestarrt. So weit ist es also mit eurer viel besseren Bildung aus der guten alten Zeit (Wann genau soll die nochmal gewesen sein?), dass sie euch nicht erlaubt, Zusammenhänge zu sehen? Dass die Sonne im Osten in diesen Breiten selten so hoch steht, als dass ihr Schatten sich mit vier Metern mehr unterschiede? Dass absolute Zahlen steigen, wenn ich mehr Tests durchführe? Dafür sind sie genau genommen konzipiert. Sollen sie doch die Dunkelziffer verringern, von der wir seit mindestens einem Jahr wissen, damit Menschen das Virus nicht unentdeckt weiterverteilen. Wenn ich mir die Positivquote ansehe (schwer überhaupt an diese Zahlen zu kommen), kann ich wenig Wachstum, geschweige denn exponentielles entdecken. Grund zur neuerlichen Beunruhigung sähe ich vor allem, wenn die Intensivbetten knapp würden. Das scheint nicht der Fall zu sein. Zumindest hier nicht. Dass auf den Stationen unsägliche Zustände herrschen, vor allem für die dort Arbeitenden, hat doch ganz andere, strukturelle Gründe. Unter anderem die der Klinikschließungen als Folge des Effizienzgebots. Die ja auch die Unke mit der Fliege forderte, während er jetzt ständig und ungefragt nach weiteren, härteren Lockdowns kräht. Die in den vergangenen vier bis fünf Monaten immerhin bewirkt haben, dass nun selbst die Privilegierten ausgelaugt sind. Ich bilde mir nicht ein, viel zu wissen oder zu verstehen, aber ich bin sicher, wir handeln uns als Gesellschaft richtig große Probleme ein, wenn wir uns isoliert als epidemiologisches 80-Millionen-Testlabor betrachten. Und impft, verdammt! Wie wäre es, die Korruption mal in diese Richtung zu kanalisieren? Dann hätte sie zumindest noch einen anderen als den Selbstzweck. 
Da ich nicht ständig ans Nichtendenwollende denken möchte, widme ich mich lieber meinem Mikrokosmos. Frühjahrsputz, auch super. Balkonmöbel zu schrubben verspricht immerhin Aussicht auf den Sommer. Die Temperaturen auch. Vollends kommen Urlaubsgefühle auf, wenn der Sohn sich zum Frühstück Eier mit Bacon brät. Dann riecht die hiesige Wohnung wie die spanische. Eben richtig nach semana santa.




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