Montag, 15. Juni 2020

Harte Fakten

So richtig gerecht ist es nicht, dass nach einem grauen Wochenende in Waschküchenatmosphäre am Montagmorgen seit vier Uhr irgendwas die Sonne so ins Zimmer scheint, dass die mich garantiert vom Schlafen abhält. Immerhin muss ich auf die Weise nicht das Licht anschalten, um lesen zu können. So signalisiere ich der scheinheiligen Sonne nämlich: „Ich wollte gar nicht mehr schlafen, auch wenn ich erst gegen Mitternacht im Bett war; Lesen ist viel besser.“ 
Auch ungerecht: dass nach längerer Abwesenheit vom Tisch ein Gutteil der mühsam erworbenen Pingpong-Fähigkeiten wieder verschüttet sind, während sich die Kerninkompetenzen Am-Ball-Vorbei-Schlagen und Die-Ausmaße-Der-Platte-Verschätzen wacker halten. Aber was soll’s, schließlich bekommen wir an der Tischtennisplatte wieder mehr Kontakt zu den Nachbarn. Auch das ist nicht nur Vergnügen, aber bei Gewitter heißt es, demütig zu sein. Immerhin bemerkt die Nachbarin, ich sei sehr braun geworden. Ich hingegen bemerke beim Abgleich mit der eigenen Alterskohorte, ganz so schusselig und vergesslich wie sie bin ich zum Glück (noch?) nicht. Während wir die Bälle hin und her schmettern - oder auch nicht - bereiten Andere einen Ausflug mit Übernachtung vor. Nachdem sie die Wohnungstür bereits abgeschlossen hat, kehrt die Nachbarin mehrfach zurück, um Vergessenes mitzunehmen. Unter anderem hat sie eine Wassermelone getragen. Und das am Tag, an dem im Hamburger Autokino „Dirty Dancing“ gezeigt wird. Wenn das kein Zeichen ist! Leider weiß ich nicht, wofür. 
Außerdem nicht ganz fair, dass ich mich nach einem schwülen Tag mit Aufräum- und Gartenarbeiten in Sicherheit wog, nachdem der Sohn eine große Tüte Chips aus dem Asia-Markt verdrückt hatte, um dann von ihm den Wunsch vorgetragen zu bekommen, ob ich nicht noch Suppe kochen könne. Wäre es nicht er und wäre da nicht sein Charme gewesen, hätte ich ihm bei 24° und 90% Luftfeuchtigkeit vermutlich mit „Suppe ist draußen genug“ geantwortet. So habe ich dann doch noch gekocht. Zum Glück nicht metaphorisch, denn der Inhalt einer ganzen Gulaschkanone war bis zum Ende des Abends rückstandslos verschwunden.
Weiteren Lohn meiner Arbeit bekam ich von der Reisebegleitung: die Freude über meine selbst gebastelte schwarze Maske mit der Aufschrift „¡manos arriba!“ war echt. Ebenso wie die Erleichterung des Sohnes (als er sie nach Fertigstellung sah), dass ich sie nicht selbst tragen sondern verschenken werde.

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