Sonntag, 18. Februar 2018

So schön ist die Heimat

Um mitteilsam zu sein, ist es wenig hilfreich, lange zu arbeiten und anschließend jeden Abend verabredet zu sein. Noch weniger hilfreich ist es, sich am Wochenende ohne sein Smartphone auszusperren, während der Sohn in Spanien weilt und sich die Tochter wo auch immer - doch wahrscheinlich in Hamburg - aufhält. Immerhin fand sich die beste aller Nachbarinnen bereit, mir nicht nur Asyl in der warmen Wohnung zu gewähren, sondern mir auch noch Milchkaffees und den Zugang zu ihrem Telefon zu spendieren. Denn Ehrensache, dass die Nachbarn mit dem Ersatzschlüssel nicht anzutreffen waren. Alles besser als die anderen Nachbarn vor Ort, die in neu gewonnener Männerfreundschaft hauptsächlich durch blöde Sprüche bestachen (wenn ich keine Übernachtungsgelegenheit habe, er biete sein Bett an etc.). Doch auch das Telefon kann nicht allzu viel, wenn man die Nummern der Kinder nicht auswendig beherrscht. Im Hirn Gespeichertes wie „es kommen Fünfen in der Nummer vor“ kann leider wenig bei der Rekonstruktion. Goldene Zeiten, als man sich noch nicht virtuelle Erinnerungsspeicher verließ! So versuchten wir, die Nachbarn mit Schlüssel anzufunken und die Schnittmenge unseres Bekanntenkreises herauszuarbeiten, die die Nummer der Tochter haben könnte. Leider ohne irgendeine Reaktion. Genau wie die Mail an die Tochter. In meinem Bemühen, die Mobilnummer zu memorieren, fielen mir lediglich zwei ein: meine eigene und die des Ex. Vielleicht könnte man darauf hoffen, dass der Vater die Nummern seiner Kinder eingespeichert hat? Die Nachbarin befand, es müsse auch anders gehen als via Kindsvater. So starrten wir auf das Display, tranken Kaffee und warteten. Irgendwann gab das iPhone Töne von sich. Ich frohlockte. Schnell kam die Ernüchterung, es war der Timer. Der Fisch im Backofen war fertig. Nach einiger Zeit war ich vom Warten und Belästigen mürbe. Ich rief den Verflossenen an. Er war gefordert, denn noch nie habe er zeitgleich telefoniert und eine Nummer aus seinen Kontakten herausgesucht. Überraschenderweise klappte es ohne einen weiteren Anruf eine Minute später (sein Vorschlag). Die heiß ersehnte Zahlenkombination war da - ganz old school schwarz auf weiß. Nächste Hürde: eine Reaktion der Tochter zu bekommen. Anruf, Mailbox, WhatsApp - kein Zeichen. Doch irgendwann: ein Anruf, hurra! Und auch wirklich von meiner Tochter. Sie sei bei ihrem Freund, dort allerdings mit den Texten für das Theaterstück (Aufführung am nächsten Nachmittag) beschäftigt. Die Nachbarin machte ihre Güte vollkommen: sie bot an, ich könne ihr Auto nehmen, um den Schlüssel der Tochter abzuholen. Kleiner Thrill noch zwischendrin: eine für mich nicht identifizierbare Warnlampe leuchtete - immerhin gelb und nicht rot - auf, außerdem ruckelte das Auto komisch, so als ob man ständig zu niedertourig führe. Doch das Auto schaffte den Weg nach Hoheluft, wenn auch nicht ganz klaglos, hin und zurück. Thank God for His small mercies. Über den Stau auf Hin- und Rückweg (Dammtor, wo sonst?) will ich nicht reden. Die Tochter mahnte mich, ich müsse dann aber am frühen Morgen zuhause sein, da sie jetzt keinen Schlüssel mehr habe. Ich versprach es ihr. Stand sogar früher als gewohnt auf. Und warte noch immer brav. Egal, zuhause ist es doch am schönsten.

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