Sonntag, 30. Juni 2024

Spieltag 14

Nach zwei gesteckt vollen, spielfreien Tagen entstand der Eindruck, die Meisterschaft sei beendet. Doch gestern ging es weiter.
Mein Herz hing eigentlich mehr am frühen Spiel als am späteren. Einerseits weil unser Publikum zu dieser Zeit ausgewählter und kundiger war (und ich mit meinen „Hop Schwyz!“- und „Ricardo Rodriguez!“-Rufen weniger Menschen quälte), andererseits weil mir das Gewese um das Spiel der deutschen Mannschaft auf den Wecker ging (die Zwischenrufe der Art „Warum wird das Tor nicht gegeben?“, „War das jetzt Abseits?“, „Warum verliert er den Ball?“ und die ewigen Unkenrufe quälten mich wiederum zusätzlich). Entspanntes Zugucken geht anders. Die ungeplante Wetterpause gab mir immerhin die Gelegenheit (und den Anstoß), meine Blumen zu gießen. War klar, dass es genau in diesem Moment anfing, auch bei uns zu regnen. Positiver Nebeneffekt meines Balkonbesuchs: ich erinnerte mich an die Wäsche dort und konnte sie evakuieren, ehe sie wieder richtig nass geworden wäre. Positiver Nebeneffekt des Siegs der deutschen Elf: Das anschließende Hupen war ein Witz verglichen mit den Harley Days wie auch mit dem Türkei-Sieg. Bis Dienstag einschließlich sind die Daumen fest für Österreich gedrückt. Sie werden in ihrer Mission sicherlich verschmerzen können, dass ich heute zeitweilig Georgien und morgen Belgien zuhalten muss.



Donnerstag, 27. Juni 2024

Spieltag 13

Schon allein unserer Nachtruhe wegen hätte die Türkei gestern nicht gewinnen müssen. Jetzt bleibt nur noch die Hoffnung auf ein schnelles Ende der nächtlichen Ruhestörungen, das die Österreicher richten werden. Dass die Nation der Hupen mit dem falschen Präsidenten gewonnen hat, bleibt die einzig große Enttäuschung des späteren Abends. Schließlich haben die Georgier Portugal bezwungen. Im Vorfeld fand ich diesen Sieg ein schönes, aber rein theoretisches Gedankenspiel. Ich rechnete eher mit den Tschechen, die Ungarn aus der Gruppe der besserplatzierten Dritten herauswerfen sollten. Egal, letztlich ist es passiert. Nur das zählt. Wie wir mit dem Ende der Gruppenphase und Doppelspiele umgehen, ist unser Problem.
Zu den frühen Begegnungen waren wir weder pünktlich noch vollzählig. Daher musste ein Bild genügen. Selbstverständlich entschieden wir uns für die Partie mit Belgien. Liefen sie doch zum ersten Mal im besten aller Trikots auf. Wahrscheinlich wäre das Parallelspiel die bessere Entscheidung gewesen. Diese war wieder einmal langweilig. Die Tintin-Truppe stach nicht gerade durch Entschlossenheit hervor. Gegen Frankreich wird es vermutlich doppelt langweilig werden. Vor allem, da die Gefahr besteht, die Auswärtsmannschaft Belgien doch in den vergleichsweise armseligen roten Dresses auflaufen zu sehen. Wichtig nur, dass die eigentliche Langeweile nicht durch zwei spielfreie Tage aufkommt. Zum Glück gibt es Blumengießen, Fensterputzen oder ganz viel Arbeit.



Mittwoch, 26. Juni 2024

Spieltag 12

Unerreichbar war der Anpfiff der 18 Uhr-Begegnungen. Wer braucht schon die österreichische oder vergleichbare Nationalhymnen? Zweite Hälften können auch schön sein. Schade nur, dass sich - wie erwartet - zumindest das eine frühere Spiel als attraktiver als die späteren herausstellte. Unnötig zu erwähnen, dass aus technischen Gründen nur ein Match an die Wand geworfen wurde und dass dies die muntere Begegnung der Österreicher gegen die Niederlande war.
Ab 21 Uhr war nur noch spannend, ob die beiden Underdogs das Unentschieden würden halten können. Ansonsten rief das Spielgeschehen lediglich Ausrufe wie „Ich geh‘ ins Bett!“ hervor - zugegeben, die Mitstreiterin war angeschlagen. Am Ende hieß es wieder einmal Abschied Nehmen; gestern vom so genannten „Maradona des Balkan“, dem serbischen Trainer, heute von der Gruppenphase.



Dienstag, 25. Juni 2024

Spieltag 11

Gestern blieben wir entre nous. Eventuell ein bisschen viel technischer Aufwand für vier bis fünf Personen; doch während der parallelen Spiele sollte keine Mühe zu groß sein. Außerdem war die Stimmung gut. Es herrschte Einigkeit, dass Spanien in derart hässlichen Trikots (Adidas-Modell: Orina Amarilla?) eigentlich nicht gewinnen dürfe. Was sie natürlich dennoch taten. Auch waren wir am Ende alle für Kroatien, unabhängig davon, ob ihr Vortrag überzeugte. Selbst die Enttäuschung über ihr Ausscheiden und das der Albaner vermieste den heimeligen Abend nicht.



Montag, 24. Juni 2024

Spieltag 10

Das Resümee des gestrigen Abends: Technik grandios, Besetzung international, Begeisterung mittelmäßig.
Ähnlich divers war auch das Fußballwissen verteilt. Während der portugiesische Beitrag sich durch profundes Wissen hervortat, gab es in unserer Arena auch Fragen wie „Spielt Ghana eigentlich auch mit?“. Ich weiß nicht, ob meine Antwort „Es ist eine EUROPAmeisterschaft.“ ausreichend erhellend war. Ich befürchte nicht. Als amtierende Vizeweltmeisterin des Zweckoptimismus‘ sage ich übrigens, dass das Straucheln der deutschen Elf zu diesem Zeitpunkt gut war. Weniger Überheblichkeit wird dem Achtelfinale gut tun.



Sonntag, 23. Juni 2024

Spieltag 9

Sie mögen wieder in ihren gammeligen Heimtrikots aufgelaufen sein, gestern haben unsere Belgier immerhin besser gespielt - und verdient gewonnen. Wenn das Spiel auch vor wenig Publikum in unserer Arena stattfand. Sie war definitiv nicht ausverkauft und rekrutierte ihre Belegschaft ausnahmsweise ausschließlich aus Biodeutschen (mit denen ich größtenteils verwandt bin). Dies zog sich durch den gesamten Spieltag. Vielleicht auch besser, dass nur so wenige vorher das hochnotpeinliche Eigentor der türkischen Mannschaft sahen. Im heimischen Umfeld war es nach der Begegnung Portugal-Türkei jedenfalls ungewöhnlich ruhig. Ich hatte nichts dagegen. Vom Nachmittagsspiel schwappte immerhin etwas Begeisterung vom Volkspark auf unsere schwach besuchte Drachenbezwinger-Arena über. Wir können hier schließlich nicht anders, als den Georgiern zuzuhalten. Heute Abend wird vermutlich alles anders: Mehr Publikum, dafür weniger echte Leidenschaft - und vor allem eine geänderte Technik. Schau‘n mer mal, ob es mit den zwei Leinwänden klappt.



Samstag, 22. Juni 2024

Spieltag 8

Die häufigste Frage des gestrigen Tages war: „Für wen sind wir eigentlich?“ Zum Glück wurde sie mir um 15 Uhr noch nicht gestellt. Erstens hatte ich da andere Themen, zweitens keine Meinung zur Begegnung. Um 18 Uhr war sie leicht zu beantworten, weil die Österreicher einfach schöner spielten als die Polen. Zumindest in den Phasen, in denen ich mich in unserer Arena befand. Um 21 Uhr wurde es etwas undurchsichtiger. Von Haus aus bin ich francophil. Das gilt eigentlich für alle, doch ausdrücklich nicht für Didier Deschamps. Zudem muss ich mich als liebende Mutter natürlich auf die Seite der Liverpool-Spieler schlagen und somit die Mannschaft der niederländischen Nummer vier anfeuern. Wenn es noch Zweifel gegeben hätte, wären die Fans ausschlaggebend gewesen. Auch da liegt Oranje im Vergleich weit vorne. Am Ende war es eindeutig. Die beiden Kollegen in belgischen Auswärtstrikots konnten schließlich nicht die Maskottchen für Frankreich geben. Sie müssen heute alles für ihre Mannschaft geben. Die dann im Gegenzug auch alles gibt - und vor allem erfolgreicher spielt als die beiden gestern.



Freitag, 21. Juni 2024

Spieltag 7

Langsam stimmen die Laufwege wieder. Zugegeben, niemand kann in der Woche die 15 Uhr-Spiele sehen, doch diese Hürde wird sich mit heute erledigt haben. Ab Sonntag stehen wir vor neuen Herausforderungen, wenn der Parallelbetrieb beginnt. Auch das werden wir sicher organisiert bekommen.
Das frühe Spiel musste es gestern also ohne uns schaffen. Zeitweilig sah es sogar so aus, als müsste die zweite Begegnung das Schicksal der ersten teilen. Doch zur zweiten Halbzeit fanden sich die Tochter, die Mutter und ich in der Arena ein. Ohnehin vom Vorabend angeschlagen musste die Tochter zusätzlich die Laberflashes des Nachbarsohnes aushalten. Sie überstand sie - wie auch die dröge zweite Halbzeit - bravourös. In Sachen Langeweile hatte ich die schlimmsten Vorahnungen für das Spiel Spanien gegen Italien. Diese bewahrheiteten sich zum Glück nicht. Selbst wenn, wäre es mit dem internationalen Publikum (bekannt aus Funk und Fernsehen) in unserer Arena kein Problem geworden. Die Stimmung war bestens. Wir hatten allerdings auch keine italienischen Gäste vor Ort, die sich nach jeder Aktion schmerzverzerrt auf dem Boden wälzten.



Donnerstag, 20. Juni 2024

Spieltag 6

Vom Fußball habe ich gestern nicht viel mitbekommen. Während des ersten Spiels war ich im wesentlichen mit Vorbereitungen beschäftigt. Beim zweiten stand ich größtenteils am Grill und beim dritten reichte meine Aufmerksamkeit lediglich für aufmunternde Ausrufe, wenn Ricardo Rodriguez durchs Bild schlich. Immerhin im Duett mit der Tochter - das war auch mit der Kombination aus wenig Essen und viel Erdbeerbowle möglich. Für mich war es auch ohne Tore ein schönes Fest.



Mittwoch, 19. Juni 2024

Spieltag 5

In unserem beschaulichen Dorf wohnend ist es vorbestimmt, für Georgien zu sein. Das fiel uns nicht schwer, weil sie so gut gespielt haben. Den Drink zum Spiel hätte es nicht gebraucht. Eher für hinterher, um das Autokorso auf dem Steindamm zu ertragen. Hier kann ich es sagen: Der Sieg der türkischen Mannschaft war weder gerecht noch leistungsadäquat. Gewollt hat ihn auch niemand (wenn schon die Nachbarin mit türkischem Hintergrund im Vorfeld sagt, mit einem solchen Präsidenten haben sie keinen Sieg verdient…).
Das vermeintliche Topspiel der Gruppe F fiel deutlich gegenüber seinem Vorgänger ab. Wir mussten als weiteren Rückschlag verkraften, dass unser portugiesischer Experte es zum Match nicht in unsere Arena geschafft hatte. Wahrscheinlich hätten die Witterungsverhältnisse seine Frisur genauso ruiniert wie die von CR7. Ich war nicht unglücklich, einen Gutteil der Begegnung mit Geburtstagsvorbereitungen anderweitig zu verbringen. Allein der beständige Regen wäre nicht notwendig gewesen - weder auf dem Spielfeld, noch in unserem Dorf.



Dienstag, 18. Juni 2024

Spieltag 4

Die Zusammenfassung lautet: enttäuschend.
Erst verhindert die Arbeit, das einzig torreiche Spiel des Tages sehen zu können. Dann laufen die Belgier im blöden Heimtrikot auf und verlieren auch noch gegen die Slowakei (vielleicht deswegen?). Zuletzt folgt zwar ein spannendes Spiel. Doch das schäbige Eigentor wäre nicht nötig gewesen. Ein Unentschieden zwischen Österreich und Frankreich hätte es auch getan. Wie gut, dass ich heute keine Favoriten habe - und dass es nur zwei Spiele ab 18 Uhr gibt. Ein Abend ohne Frustfressen wird guttun.

Montag, 17. Juni 2024

Spieltag 3

Wenig haben wir von der Außenwelt mitbekommen. Nur einige Hubschrauber, die gestern über unsere Arena kreisten, und seit Tagen viele Niederländer - ich habe wirklich nur Männer gesehen -, die die umliegenden Hotels bevölkerten. Wie gut, dass sie bei Regen und Sturm auf den Straßen ihre Warnkleidung trugen. 
Genau zum ersten Spiel war es oft sonnig. Das führte zu schlechten Sichtverhältnissen auf der Leinwand, weswegen wir uns über jede graue Wolke freuten. Unüblich für einen Sonntagnachmittag.
Die beiden nachfolgenden Partien waren genauso wenig fürs Auge. In diesen Fällen lag es aber mehr am fehlenden Geschehen auf dem Platz. Das Durchhalten belohnten wir uns mit Kalorien. Es wird auch in Zukunft nicht besser, da ich seit gestern keine Nadeln mehr in den Händen habe. Damit kann ich nun auch parallel zum Spiel essen. Doch wie gut, dass es ab heute maximal zwei Spiele sein werden, weil zumindest das erste in die Arbeitszeit fällt. Am Ende wird es so oder so heißen, nach dem Spiel ist vor der Diät, fürchte ich.



Sonntag, 16. Juni 2024

Spieltag 2

Langsam kommen wir in den Turniermodus. Die Laufwege stimmen wieder, die Technik wird ausgefeilter.
Leider war das begleitende Programm dramaturgisch nicht ganz so gut aufgebaut. Das 15 Uhr-Spiel entpuppte sich als das spannendste. Das jedoch den Nachteil hatte, nur auf Magenta übertragen zu werden. Es gibt leider ein Moderationslevel unterhalb vom Free-TV. Wir spielten daher schon zu Beginn des zweiten Tages mit dem Gedanken, den Radioton über das Fernsehbild zu legen (selbst den Zeitverzug bekam unser Technischer Direktor bei letzter Gelegenheit problemlos in den Griff). Durch die späteren Begegnungen trug uns häufig nur unsere preußische oder asiatische Disziplin. Es wird gesehen, was auf den Bildschirm kommt! Zum Glück hatte ich für Spanien-Kroatien und Italien-Albanien meine altersgemäße Handarbeit. Die ich oftmals wegen eines hinderlichen Mix’ aus Unfähigkeit, wurstigen Fingern und unvorteilhaften Lichtverhältnissen mit wenig altersgemäßen Flüchen bedachte. Ein noch viel größeres Glück besteht darin, dass dieses Frühjahr das Dach unserer Arena repariert wurde. Ansonsten wäre die Langeweile das geringere Übel gegenüber der Nässe gewesen. Ich glaube nicht, dass wir auf die Schnelle Neoprenanzüge in allen Größen hätten an den Start bringen können. Ganz zu schweigen von unterschiedlichen Varianten in jeweils passenden Landesfarben. Dank der Reparatur können wir im Trockenen das Fritz-Walter-Wetter feiern und ohne klamme Finger belgische Auswärtstrikots klöppeln. Es wird.



Samstag, 15. Juni 2024

Spieltag 1

Selten war ich so schlecht vorbereitet wie für dieses Turnier. Es war - und ist - zu viel nebenher. In dieser Phase eigentlich unzulässig. Nicht einmal für ein Beweisfoto hat es gereicht. Die Technik stand gestern immerhin um 20:53 Uhr, noch vor der schottischen Nationalhymne. Wir lassen uns nicht nachsagen, keine guten Gastgeber zu sein. Der Ausgang des Abends legt ohnehin nahe, die Improvisation beizubehalten. Genauso wie die Strategie, den Sohn gelegentlich bei unserem Private Public Viewing auftreten zu lassen. Kaum, dass er vor Ort war, fiel ein Tor (kommentiert im täuschend ähnlichen Duktus des Torschützen; wenn es nach mir ginge, bitte mehr Tore von Florian Wirtz, den imitiert der Sohn besonders stark). Zum Glück konnte die eigene schwache Vorbereitung durch Nachbarschaftshilfe ein wenig aufgefangen werden. Als meine kleine Lampe für die Handarbeit aufgab (früh in der ersten Halbzeit), bekam ich deutlich besseren Ersatz der Nachbarin. So konnte ich der Eröffnung der Herzen am Montag um 18 Uhr einen guten Schritt näher kommen. Dann spielt endlich DIE Mannschaft. Wenn vermutlich auch zu beklagen sein wird, dass sie in den langweiligen Heimtrikots auflaufen werden. Bis dahin sollten wir dennoch so weit sein. Mit all der Unterstützung habe ich auch dabei ein gutes Gefühl.

(Archivfoto)

Donnerstag, 13. Juni 2024

ÖPNV

Ich fluche oft und gerne über den HVV. In Düsseldorf muss ich feststellen: Er ist Goldstandard gegenüber den hiesigen Verhältnissen. So bekommt man niemanden vom eigenen Auto weg.



Dienstag, 11. Juni 2024

Ausgestanden

Damit haben sie nicht gerechnet. Gestern bin ich aufgestanden, bevor der Altglascontainer geleert wurde. So. Unter der Dusche stört der Krach deutlich weniger. Dennoch glaube ich, dieser Trick wird kein dauerhaftes Erfolgsmodell für mich werden. Vom sehr frühen Aufstehen habe ich erst einmal genug, auch wenn es sich Donnerstag und Freitag arbeitsbedingt nicht vermeiden lassen wird. 
Nur gut, dass die Wahl im Juni lag. Da ist es selbst zu nachtschlafender Zeit hell. Als Wahlbezirksleitung war ich am Sonntag vor 7:30 Uhr vor Ort. Und trotzdem spät dran. Vor acht standen bereits einige Menschen vor der Tür und warteten auf Einlass. Damit hatten wir wiederum nicht gerechnet. So waren wir zwar technisch, aber gedanklich noch nicht vollständig vorbereitet. Auf das schnippische „Das hätte ich Ihnen vorher sagen können!“ eines Früh-Wählers reagierten wir trotz der Härte gegen den eigenen Biorhythmus nicht. Zu sehr service- und demokratieorientiert, um mit einem „Wenn Sie nur zum Meckern gekommen sind, entscheiden Sie sich doch lieber für Briefwahl.“ zu kontern. Kurioserweise riss der Zuzug der Menschen mit Wahlwunsch nie richtig ab. So blieben wir bis 18 Uhr mehr als ausreichend beschäftigt. Wenn sie insgesamt nicht so fordernd gewesen wäre, wäre die Wahlhilfe nur eine spannende Sozialstudie gewesen. Menschen, die sich überschwänglich für unser ehrenamtliches Engagement bedankten. Häufig ältere Menschen, die trotz körperlicher Gebrechen nicht briefwählen, weil sie sich über den Klönschnack freuen. Personen, die ungefragt in die Süßigkeitendose greifen, die ich eigentlich eher für wartende Kinder mitgebracht hatte. Personen, die lieber zweimal nachfragen, ob sie sich etwas nehmen dürfen. Kinder, die auch nach Aufforderung verhalten vor der Dose stehen und fragen, ob sie die Süßigkeit „für Milo mitnehmen“ dürfen. Dann etwas innehalten und auch uns einbeziehen, ohne dass wir ihn kennten („Ich glaube, Milo mag gerne Nougat?“). Wenn ich sie nicht ohnehin sehr liebte, wäre spätestens das der Moment gewesen, als die Tochter dem etwa elfjährigen Jungen bei der Auswahl half und sagte: „Ich glaube, jeder mag gerne Nougat.“ Dann wieder Eltern, die pampig werden, weil man sie auffordert, ohne das Grundschulkind in die Wahlkabine zu gehen („Fritz, du darfst kein Kreuz für mich machen, weil die Frau dich zu alt dafür findet. Dann nimm Dir jetzt was Süßes!“). Die Statuten sagen übrigens, dass nur Kleinkinder mit hinein dürfen. Die Mehrheit war freundlich und gut gelaunt. Was mit Sicherheit vor allem an der freundlichen Betreuung des Wahlhilfeteams lag. Am Ende war vor allem erfreulich, wie viele Menschen wählen gegangen sind und wie gut unser Team alle Situationen gemeistert hat. Auch wenn es lange gedauert hat, war zusätzlich erfreulich, sich nach 18 Uhr mit dem Auszählen und nicht mit den  Gesamtergebnissen beschäftigen zu müssen. Warum können nicht alle so wählen wie in unserem Wahlbezirk? Gegen 22:30 Uhr war ich endlich zu Hause und nicht erfreut, wie anderswo gewählt wurde.
Es folgte gestern ein weiterer früher und vergleichsweise langer „Arbeitstag“, der der Bezirksversammlung gewidmet war bzw. der Auszählung. Auch diese Herausforderung hat das Team trotz widriger Umstände - Auszählung in einem kleinen, fensterlosen Kellerraum, in dem sich neben uns neun Personen und den notwendigen Tischen und Bänken auch diverse Materialien und Mülleimer befanden - bestens bewältigen können. Dass der Keller keinen Empfang hatte, führte zu einem Polizeieinsatz. Für die Wahlbezirksleitung ist Erreichbarkeit gefordert. Der Anruf des Bezirksamts ging ins Leere, anstatt auf meinem Mobiltelefon anzukommen. Und schwupps sah sich der Schulhausmeister mit einer Polizeistreife konfrontiert! Zum Glück ließ sich alles aufklären. Spätestens als ich - außerhalb des Kellers, zum Unmut der Lehrkräfte in der Cafeteria (handyfreie Schule, „Vorbildfunktion“) - telefonisch die Ergebnisse ans Wahlamt durchgab. Nachdem alles getan war, fühlte ich mich erschöpft wie nach einem Marathon. Zumindest stelle ich mir den Zustand so vor. Im Grunde war es einer.
Doch jetzt gilt: Nach der Wahl ist vor dem Spiel.



Freitag, 7. Juni 2024

Herausgelassen

Nach zu wenigen echten Sozialkontakten und zu viel Arbeit fühlte ich mich diese Woche bis heute Nachmittag vor allem alt, ausgelaugt und hässlich. Wieso ich, nun wirklich nicht mehr juvenil, zum Wochenende einen Pickel im Gesicht bekommen muss, erschließt sich mir nicht. Seit unserem Check-Termin im Wahllokal ging es aufwärts. Ehrenamt als Ego-Boost. Der zuständige Schulhausmeister war wieder kooperativ und auffallend nett. Ich neige dazu, meine langjährig erarbeiteten Vorurteile gegenüber diesem Berufszweig über den Haufen zu werfen. Anschließend nur noch ein wenig Arbeit, um dann ein Kaffee-Date einzulegen; darin enthalten sogar ein paar Komplimente. Ein weiteres Highlight folgte beim Einkaufen, vielmehr danach. Am Eingang des U-Bahnhofs posierten vier junge Männer. Ich wollte nur schnell zwischen ihnen durchgehen, als mich einer von ihnen fragte: „Wollen Sie mit auf unser Foto?“ Ich verneinte mit dem Argument, meine Haare sitzen nicht so gut. Er versuchte mich zu überreden, warum auch immer. „Sie sehen so schön aus!“ Ich weiß nicht, was mit weniger derangierter Frisur und ohne Pickel möglich gewesen wäre. Da ist mir doch ein langweiliges Länderspiel egal.

(Bildmaterial natürlich nicht vom Länderspiel)