Dienstag, 11. Juni 2024

Ausgestanden

Damit haben sie nicht gerechnet. Gestern bin ich aufgestanden, bevor der Altglascontainer geleert wurde. So. Unter der Dusche stört der Krach deutlich weniger. Dennoch glaube ich, dieser Trick wird kein dauerhaftes Erfolgsmodell für mich werden. Vom sehr frühen Aufstehen habe ich erst einmal genug, auch wenn es sich Donnerstag und Freitag arbeitsbedingt nicht vermeiden lassen wird. 
Nur gut, dass die Wahl im Juni lag. Da ist es selbst zu nachtschlafender Zeit hell. Als Wahlbezirksleitung war ich am Sonntag vor 7:30 Uhr vor Ort. Und trotzdem spät dran. Vor acht standen bereits einige Menschen vor der Tür und warteten auf Einlass. Damit hatten wir wiederum nicht gerechnet. So waren wir zwar technisch, aber gedanklich noch nicht vollständig vorbereitet. Auf das schnippische „Das hätte ich Ihnen vorher sagen können!“ eines Früh-Wählers reagierten wir trotz der Härte gegen den eigenen Biorhythmus nicht. Zu sehr service- und demokratieorientiert, um mit einem „Wenn Sie nur zum Meckern gekommen sind, entscheiden Sie sich doch lieber für Briefwahl.“ zu kontern. Kurioserweise riss der Zuzug der Menschen mit Wahlwunsch nie richtig ab. So blieben wir bis 18 Uhr mehr als ausreichend beschäftigt. Wenn sie insgesamt nicht so fordernd gewesen wäre, wäre die Wahlhilfe nur eine spannende Sozialstudie gewesen. Menschen, die sich überschwänglich für unser ehrenamtliches Engagement bedankten. Häufig ältere Menschen, die trotz körperlicher Gebrechen nicht briefwählen, weil sie sich über den Klönschnack freuen. Personen, die ungefragt in die Süßigkeitendose greifen, die ich eigentlich eher für wartende Kinder mitgebracht hatte. Personen, die lieber zweimal nachfragen, ob sie sich etwas nehmen dürfen. Kinder, die auch nach Aufforderung verhalten vor der Dose stehen und fragen, ob sie die Süßigkeit „für Milo mitnehmen“ dürfen. Dann etwas innehalten und auch uns einbeziehen, ohne dass wir ihn kennten („Ich glaube, Milo mag gerne Nougat?“). Wenn ich sie nicht ohnehin sehr liebte, wäre spätestens das der Moment gewesen, als die Tochter dem etwa elfjährigen Jungen bei der Auswahl half und sagte: „Ich glaube, jeder mag gerne Nougat.“ Dann wieder Eltern, die pampig werden, weil man sie auffordert, ohne das Grundschulkind in die Wahlkabine zu gehen („Fritz, du darfst kein Kreuz für mich machen, weil die Frau dich zu alt dafür findet. Dann nimm Dir jetzt was Süßes!“). Die Statuten sagen übrigens, dass nur Kleinkinder mit hinein dürfen. Die Mehrheit war freundlich und gut gelaunt. Was mit Sicherheit vor allem an der freundlichen Betreuung des Wahlhilfeteams lag. Am Ende war vor allem erfreulich, wie viele Menschen wählen gegangen sind und wie gut unser Team alle Situationen gemeistert hat. Auch wenn es lange gedauert hat, war zusätzlich erfreulich, sich nach 18 Uhr mit dem Auszählen und nicht mit den  Gesamtergebnissen beschäftigen zu müssen. Warum können nicht alle so wählen wie in unserem Wahlbezirk? Gegen 22:30 Uhr war ich endlich zu Hause und nicht erfreut, wie anderswo gewählt wurde.
Es folgte gestern ein weiterer früher und vergleichsweise langer „Arbeitstag“, der der Bezirksversammlung gewidmet war bzw. der Auszählung. Auch diese Herausforderung hat das Team trotz widriger Umstände - Auszählung in einem kleinen, fensterlosen Kellerraum, in dem sich neben uns neun Personen und den notwendigen Tischen und Bänken auch diverse Materialien und Mülleimer befanden - bestens bewältigen können. Dass der Keller keinen Empfang hatte, führte zu einem Polizeieinsatz. Für die Wahlbezirksleitung ist Erreichbarkeit gefordert. Der Anruf des Bezirksamts ging ins Leere, anstatt auf meinem Mobiltelefon anzukommen. Und schwupps sah sich der Schulhausmeister mit einer Polizeistreife konfrontiert! Zum Glück ließ sich alles aufklären. Spätestens als ich - außerhalb des Kellers, zum Unmut der Lehrkräfte in der Cafeteria (handyfreie Schule, „Vorbildfunktion“) - telefonisch die Ergebnisse ans Wahlamt durchgab. Nachdem alles getan war, fühlte ich mich erschöpft wie nach einem Marathon. Zumindest stelle ich mir den Zustand so vor. Im Grunde war es einer.
Doch jetzt gilt: Nach der Wahl ist vor dem Spiel.



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