Sonntag, 24. Dezember 2017

La mer

Es fehlt mir. Das weiß ich schon nach einem Tag zurück im hanseatischen Bleigrau. Es führt dazu, das eigene Lebensmodell zu überdenken: von einem ganzen Jahr etwa drei Wochen am Meer zu verbringen, scheint mir die falsche Ratio.

Immerhin bietet die Rückreise die Möglichkeit, an allerlei Konversationen Anteil zu nehmen, von denen man im ersten Moment überrascht ist, dass sie auf deutsch geführt werden. Da waren am Flughafen zum einen die deutschen Studentinnen (warum alle weiblich? Bietet die Universität Valencia vor allem klassische Frauenstudiengänge?), zumeist blond, die alle Vorurteile über die Korrelation zwischen ebendieser Haarfarbe und dem Denkvermögen bestätigten. Ich weiß nicht einmal, ob das weitere Vorurteil „NRW-Abitur“ ausreichend Erklärung böte. Zum anderen gab es die genauso tendenzblonden, wenn auch unterdessen ergrauten Fred und Bärbel. Zu Anfang ließ er sich darüber aus, dass die für die Feiertage geheuerten spanischen Hilfskräfte den armen daheim gelassenen Hund (ein deutscher Schäferhund? Gesichert ist lediglich der Name: Luna) bestimmt nicht fachgerecht füttern werden. Bärbel zerstreute die Sorge ihres Partners nicht etwa, sondern setzte noch einen drauf. Wenn er sich derartig abhängig mache, müsse sie sich überlegen, ob sie ihn in Zukunft noch mit auf ihre Reisen nehme. Einmal mehr freute ich mich über die vorangegangene Sicherheitskontrolle. So würde er seine Frau nicht erschießen können. Erwürgen hätte zu viel Aktion erfordert. Nein, Fred blieb ruhig (was mir selbst zusehends schwerer fiel). Erst erkundigte er sich, ob Bärbel die Musik in Peters Auto (der sie zum Flughafen brachte) genauso wenig gefallen habe wie ihm („RockFM“). Sie erwiderte ganz neckisch, sie sei versucht gewesen, Peter zu sagen, er habe ja ein schönes neues Auto, aber das Radio darin sei Mist. Die Furcht vor dem Rauswurf auf halber Strecke hielt sie wahrscheinlich von der Äußerung ab. Anschließend fragte Fred, ob sie den Flughafen auch so überheizt finde (Schnuckis, das hat nichts mit Heizung zu tun, man nennt es Sonne!). Sie, offenbar nie um eine Replik verlegen: „Deswegen hatte ich dir das kurzärmelige Hemd herausgelegt!“ Er, leicht bockig: „Ich wollte heute aber etwas Blaues anziehen!“ Selten wurde die Redewendung „Wer schön sein will, muss leiden“ besser szenisch performt als von diesem deutschen Rentnerpaar flying home for Christmas. Ein weiterer Bonus: anders als ein Großteil der Studentinnen blieben uns Fred und Bärbel bis ans Hamburger Gepäckband erhalten. Zumindest ist ihnen anzurechnen, dass sie beim Warten auf Koffer und Taschen, als zwei besitzerlose Koffer in der Dauerschleife an uns vorbeizogen, über meinen Flachwitz lachten, neues Gepäck gebe es erst, wenn das alte aufgebraucht sei.

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