Samstag, 3. Oktober 2020

Jagd auf 3. Oktober

In meiner Jugend war der 3. Oktober - anders als der 17. Juni - noch ein Tag, der nicht weiter aus dem Alltag herausstach. Mir selbst ließ er qua Datum damals wie heute wenig Chancen, nicht das Ende des Sommers zu beklagen. Trotz dessen Getragenheit eins zu null für den Feiertag im Juni. Davon, dass unser Wessi-Festtag in diesem Jahr auf einen Mittwoch gefallen wäre, möchte ich gar nicht sprechen. Während in meiner Kindheit Aufreger wie „Der Butterberg“ vorzuherrschen schienen, geht es für mich heute darum, einen anderen abzubauen: den Haufen akkumulierter, wegen Besuch, Abwesenheit, Steuererklärung und allgemeiner Lustlosigkeit ungelesener Zeit-Ausgaben. Dafür ist ein Feiertag an einem Sonnabend im Herbst allemal gut. 
Seit nunmehr zwanzig Jahren, also seit dem zehnjährigen Wiedervereinigungsjubiläum, markiert der 3. Oktober zusätzlich den einwöchigen Countdown zum nächsten Saisonhöhepunkt, den Geburtstag des besten denkbaren Sohnes. Sich steigernd bis vor zehn Jahren hörte ich mir geduldig seine Begeisterung an ob der Tatsache, am 10.10.2010 10 Jahre alt zu werden. Unterdessen ist er ruhiger geworden; zumal der 20 an besagtem Datum nicht der gleiche Charme innewohnt. Mich hingegen treibt es um, dass mein Millenniumbaby demnächst nicht einmal mehr Teenager ist. Und dazu noch eine ältere Schwester, die beste denkbare Tochter, hat. Das eigene Älterwerden lässt sich so schlecht ignorieren. Sein Geburtstagswunsch dieses Jahr ist eine Reise. Dass dieser in diesem Jahr vielleicht nicht der zuträglichste ist, stelle ich als verständige Mutter hintan. Der Sohn hatte schon immer einen Hang zum Außergewöhnlichen, warum sollte sich das mit Eintritt in die neue Dekade (ja, ich weiß, Ihr Kleingeister, darin befindet er sich schon seit letztem Jahr!) ändern. So wundert es mich nicht weiter, dass einer seiner Reisepläne vorsieht, in der Türkei Uigurisch essen zu gehen. Wie Usbekisch sei das schließlich auch eine Turksprache, und unterstützen wolle er sie sowieso. Um neben dem Grünschnabel nicht ganz so unbedarft dazustehen, wollte ich ihn fragen, ob er auch einen Restaurantbesuch dieser turksprachigen Minderheit aus dem Süden Moldawiens vorsehe. Blöderweise fiel mir natürlich ihr Name nicht ein. War irgendwie klar, dass er, während ich noch überlegte, wie aus der Pistole geschossen „Gagausisch“ sagte (und mich vorsichtig für mein Unwissen tadelte, schließlich sei ich im Gegensatz zu ihm schon einmal in der Republik Moldau gewesen. Es schloss sich abermals die Tirade über die Armut eines Landes innerhalb Europas an, über die alles gesagt sei, wenn dessen Bevölkerung  zum Geldverdienen in die Türkei gehe.). Eigentlich sollte ich mich im Laufe der vielen Jahre daran gewöhnt haben, aber sein enzyklopädisches Wissen verblüfft mich gelegentlich noch immer.

(Herbstfarben allenthalben. Nie so mein Ding.)

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