Sonntag, 25. Oktober 2020

Annus semihorribilis

Gerade als ich beschloss, im Laufe des vierten Quartals könnte ich 2020 vielleicht in eine der unteren Schubladen meiner Erinnerung einsortieren - ganz unten bleibt in meinem Ranking 2008 -, beförderte es sich selbst noch ein wenig nach oben. Zum einen weil ich nach hinten heraus noch relativ viel sturmfrei hatte, zum anderen weil ich im Rahmen meiner Sturmfreiheit an ein neues Lieblingswort geriet. Es wurde mir zugetragen, als ich beim zweiten Rendezvous der Woche (Dass ich das noch erleben darf!) von meinen Erlebnissen berichten und sie als meine ganz persönlichen Erfahrungen kennzeichnen wollte. Um niemanden länger auf die Folter zu spannen: es heißt „Individualempirie“ und ersetzt die etwas sperrige „N=1-Studie“ aufs Schönste. Im Verlauf der Begegnung hatte ich es zwischenzeitlich vergessen, wurde dann aber zum Glück und ohne Augenrollen ob meiner Vergesslichkeit wieder daran erinnert. Mag sein, dass es den Status des Lieblingswortes nicht für lange Zeit innehaben wird, so eng verwoben wie es mit ebendiesem Jahr ist. Aber solange genießen wir die Zeit miteinander. Im Zuge dessen kann ich berichten, dass hier im beschaulichen Dorf, wie auch im Rest der Hamburger Innenstadt, die Klopapiervorräte im Einzelhandel wieder ziemlich geplündert sind. Die Nudeln allerdings halten sich noch wacker. Doch es gibt sie wieder, die Schilder, auf denen es heißt, jeder Haushalt dürfe nur eine Packung kaufen. Meine Individualempirie besagt nun, dass es sich bei den Hamsterkäuferinnen und -käufern ausnahmslos um Menschen mit Migrationshintergrund handelte. Diese Beobachtung lässt diverse Theorien zu: 
a) Im Gegensatz zu uns (west)deutschen Wohlstandsmenschen kennen sie noch echte Notstände und Versorgungsengpässe. Das erklärte mir jedoch nicht den vergleichsweise hohen Anteil asiatischer Provenienz.
b) Horten/Hamstern/Bunkern ist gar nicht so eine deutsche Eigenschaft, wie ich immer gedacht hätte.
c) Integration ist doch gelungen. Wenn die Bunkergemeinschaft jetzt noch an der Kasse in epischer Breite über das Wetter philosophiert, haben wir alles erreicht.



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