Sonntag, 8. September 2024

Buchlese

Im Grunde sind Buchneuerscheinungen der einzig statthafte Grund, sich auf September/Oktober zu freuen (Don’t call it Herbst - or worse: Bücherherbst!). Zum ersten, mir möglichen Zeitpunkt außerhalb der System- oder gar Online-Buchhandlungen besorgte ich mir Freitag in der Mittagspause das neu erschienene Opus Magnum des „großen Frank Schulz“ (G. Henschel). Im vor Büchern berstenden kleinen Verkaufsraum fand ich das Buch nicht. Dies war umso erstaunlicher, als das Magnum in Opus mit etwa 750 Seiten durchaus wörtlich zu nehmen ist. Um die wartenden Kollegen nicht über Gebühr von der Arbeit abzuhalten (Sorgfaltspflicht als Chefin?), wandte ich mich an die sympathische grauhaarige Buchhändlerin. Sie tippte „schul“ und „goli“ in die Tasten und teilte mir freudestrahlend mit, sie habe das Buch vorrätig. Schob ein Regal zur Seite und fand es dahinter, irgendwo unten, alphabetisch sortiert eben. Da das Buch einen nicht unerheblichen Teil ihres Eigengewichts maß, konstatierte sie, ich habe mir ja einiges vorgenommen. Ich antwortete noch freudestrahlender, es sei nur gut so, jede Seite lohne sich bestimmt - und auch die lange Wartezeit seit dem letzten Buch. Sie guckte mich fragend an und gestand, noch nichts von Frank Schulz gelesen zu haben. So kam ich - hufescharrender Kollegen zum Trotz - zum ersten Mal in meinem Leben dazu, einer Buchhändlerin Leseratschläge zu geben: „Zum Einstieg empfehle ich seinen Erzählungsband „Anmut und Feigheit“ von 2018 im gleichen Verlag erschienen.“ Gleiches passierte Sekunden später (die Wartenden!) nochmals an der Kasse. Die etwas gewichtigere Kollegin dort, die man sich wegen ihrer Art und des Outfits eher im FC St. Pauli-Fanshop vorstellen könnte: „Boah, Sie haben sich ja einen Wälzer vorgenommen! Lohnt sich der?“ „Unbedingt!“
Nach der Arbeit fuhr ich am Abend zu meiner Einladung ins Outback. Die App sagte mir, ich komme mit nur minimalen Gehwegen in nur 40 Minuten direkt mit dem Bus dorthin. Mit Sitzplatz konnte ich das neue Buch nicht länger im Rucksack lassen. Während des Lesens setzte sich eine Mitfahrerin neben mich. Sie bekam mein Lachen und Schmunzeln mit, weswegen sie versuchte auf den Buchrücken, wie man im HVV-Dreierbus in Richtung Schenefeld eben sagt, zu luschern. Trotz fesselnder Lektüre hielt ich ihr das Buch hin. Sie habe meine Belustigung mitbekommen (ach, was?), Buch und Autor müsse sie sich merken. „Unbedingt!“
In meinem Umfeld habe ich damit allen im Vorfeld in den Ohren gelegen: Gestern dann die Lesung von Frank Schulz himself, fast noch in unserem beschaulichen Dorf. Nicht nur ist das Buch großartig, er las es auch wunderbar, kam im Gespräch sympathisch und charmant herüber. Nahezu einzige Kritikpunkte aus meiner Groupie-Sicht: Wieder einmal die junge Ehefrau und dass in den wenigen Stunden Netto-Lesezeit knapp ein Viertel des Buches bereits ausgelesen sind. 




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