Freitag, 30. August 2024

Das Nest ist gar nicht leer

Alleinsein kann nicht aufkommen, wenn die Wohnung fast ausschließlich im eigentlichen Wortsinn genutzt wird - also kaum zum Arbeiten - und ausreichend Besuch vor Ort ist. Punkt 1 erklärt sich durch neue Büroräume, die mehr zu bieten haben und vor allem besser gelegen sind. Punkt 2 durch Personen, die hier im beschaulichen Dorf vorbeikommen. Zugegeben, die zeitweilige Anwesenheit des Sohnes habe ich im Office arbeitend nur an Essenpackungen im Müll (immerhin!), Latschen vor dem Daybed im Wohnzimmer, Wäsche im Korb (immerhin!) und Reisresten in einem Topf bemerkt. Die der Tochter schon mehr, weil sie in Teilen parallel zu meiner häuslichen Präsenz stattfand. Durch den Auszug ihrer Mitbewohnerin hat sie aktuell kein WLAN, da der Router mit nach Berlin gezogen ist. Zum Monatsende kann das mütterliche Netz zur Rettung werden, wenn die Studentin bis Ende August ein Portfolio abgeben muss. So arbeiteten gestern Mutter und Tochter zeitgleich in der vermeintlich verwaisten Wohnung. Ich an meinem üblichen Zeug und sie „frankensteine“ ihre Arbeit, so der O-Ton. Währenddessen kamen Lieferanten vorbei, die Geschenkbestellungen für uns oder Pakete für die Nachbarn mitbrachten. Zusätzliche Belegung erfährt unser Zuhause durch den Besuch des Bruders/Onkels, der diese Woche die Ehre hat, an einem Kongress in Hamburg teilnehmen zu dürfen. Schön, dass den Geschwistern Zeit für zumindest einen Abend auf dem Balkon blieb - und sich die Hansestadt für alle auswärtigen Teilnehmer und Teilnehmerinnen von der sonnigsten und lauesten Seite zeigte.



Donnerstag, 22. August 2024

Empty Nest

In letzter Zeit komme ich mit dem leeren Nest immer besser zurecht. Trübe Momente bekämpfe ich einigermaßen erfolgreich mit Wassersport. Bei den überschüssigen Pfunden will diese Strategie nicht genauso gut verfangen. Ich beginne Freiheiten und Selbstbestimmung zu genießen - und werde wahrscheinlich wunderlich. Noch mehr genieße ich allerdings die Gelegenheiten, wenn sich die Brut wieder einmal hier einfindet. Mit dem Sohn gemeinsam kochen, mit der Tochter philosophieren („Mama, August ist wie Sonntag; irgendwie schön, aber auch wehmütig.“). Alles wird intensiver, wenn es nicht mehr Teil des Alltags ist. Dreck und Unordnung hingegen nehmen deutlich ab, wenn sie nur noch aus eigener Hand kommen. Selbst mein Zweckoptimismus stößt jedoch an seine Grenzen, wenn ich mich allein Zuhaus grusele, weil ein Junkie direkt vor meiner Tür die Blumenkästen durchwühlt. Vielleicht entsteht die Aktion „Das letzte Kind hat Fell“ nur aus einem Schutzbedürfnis?



Montag, 19. August 2024

La rentrée

Offenbar haben mich die letzten drei Wochen doch stärker mitgenommen als gedacht. Ich träumte heute Nacht, vor allen etwas vortragen zu müssen und mich an nichts, wirklich gar nichts (wahrscheinlich nicht einmal meinen Namen) erinnern zu können. Aufbauend war daran lediglich der Trost der Kollegen anschließend. Dieses Szenario ist umso überraschender, als ich eigentlich dachte, die Urlaubsvertretungszeit mit ausreichend sportlicher Aktivität gut ausgeglichen zu haben. Endlich bin ich wieder ins Wassersportgeschäft eingestiegen. Warum eigentlich nicht schon früher? Eine gewisse Zeit ist die fast dörfliche Schwimmhalle schließlich schon wiedereröffnet. Muss wohl diese Trägheit sein, von der manchmal die Rede ist. Unterdessen bin ich von den Kursen nicht mehr so erschöpft (Trainingseffekt?), dass ich wieder Sozialstudien aufnehmen kann, vor allem die der Trainerinnen und Trainer. Das Spektrum geht von weltfremd-verstrahlt („Weißt du was ich entdeckt habe? Wenn ich zwischendurch Weintrauben esse, komme ich gut über den Tag.“) über slawische Antreiberin („Chabe ich gesagt, ihr sollt aufchören?“), zum Muskelmann, der sich am Beckenrand fast mit überambitioniertem Vater prügelt („Ihr geht mir sowas von auf den Sack!“) bis hin zum Poser, für den der Kurs nur nebensächlich ist und der bedauert, vor Ort keine Spiegel vorzufinden. Letzterer belustigte mich zusätzlich, als er zu Beginn eine (von drei) Kursteilnehmerinnen fragte, wie sie heiße („Marion.“) und sie anschließend die gesamte Dreiviertelstunde konsequent mit Sybille anredete. Worauf die blasierte Kuh bis zum Ende einfach nicht reagieren wollte. Kein Wunder, dass ich die Kursteilnehmer weniger studiere als die Kursleiter.



Mittwoch, 7. August 2024

Verbindung abgebrochen

Gestern Morgen kämpfte ich wieder einmal mit der Technik. Und verlor wie erwartet. Unsere IT beschied, zur Lösung dieses Fehlers müsse ich bei ihnen vor Ort sein. Im Normalfall kein Problem, da Home Office und Agentur nicht allzu weit auseinander liegen. Aktuell etwas schwieriger, da wir uns an Tag zwei des Umzugs und damit innerhalb der verordneten drei Wochen Heimarbeit befinden. Daher musste ich zunächst fragen, ob es zum alten oder neuen Standort gehen müsse. Zum neuen, hieß es. Darauf musste ich in Erfahrung bringen, wo genau ich erwartet werde und wie ich dort hineinkomme. So kam ich zu einem vormittäglichen Spaziergang durch die Hamburger Altstadt. Es gibt schlimmere Schicksale, zumal bei Sonnenschein und 25 Grad. Dank technischer Hilfsmittel, die zum Glück besser funktionieren als mein Laptop, fand ich den unbekannten Weg auf Anhieb. Der Fehler war auch schnell behoben - dauerhaft, hoffe ich. Nun saß sich zwischen den netten IT-Kollegen, Kabeln und Umzugskartons, die mit „Bohne 2“ beschriftet waren, dem Arbeitstitel unseres Zweitgeborenen, als wir ihn nur vom Ultraschall kannten, und fühlte mich in deren Gesellschaft ganz wohl. Hatte aber das Problem, dringend etwas herausschicken zu müssen, für das der, wenn auch kurze, Nachhauseweg zu zeitraubend gewesen wäre. Also fragte ich vorsichtig, ob ich diesen Job eventuell von dort aus erledigen dürfe, ich verhalte mich auch ganz ruhig - versprochen. Ich durfte und konnte - vor allem den Zeitplan halten. Anschließend kamen weitere Kollegen hinzu, deren Arbeitsplatz ich vermutlich besetzte. Dennoch erkundigte sich der eine von ihnen, ob ich jetzt in der IT anfangen wolle. Offensichtlich ist der Fachkräftemangel noch größer als befürchtet. Ob sie wirklich den Bock zu Gärtner machen wollen, war meine Antwort. So praktisch und schön das Home Office sein mag, Herumalbern mit Kolleginnen und Kollegen fehlt. 



Montag, 5. August 2024

Bittersweet

Im Grunde hat der Sohn recht. Der englische Akzent von Sven Regener ist schwer zu ertragen. Und doch freue ich mich jedesmal, wenn Element of Crime „Don’t You Smile“ live spielt. Es erinnert mich an damals. An die West-Berliner Vorwendezeit. Wir beide lagen in der Kreuzberger Wohnung eines Freundes auf dem Fußboden und hörten „Try To Be Mensch“. Auf dem Boden weniger deswegen, weil die Wohnung außer einer 1A-Stereoanlage (Physikstudent eben) spartanisch möbliert war, sondern mehr weil es in Bodennähe wärmer war. Morgens früh aus dem Haus und abends spät aus dem Institut zurück schaffte der Freund es nicht, den Ofen anzuheizen, dass er zu brauchbaren Zeiten warm geworden wäre. Vom Kohlestaub und Dreck wollen wir gar nicht sprechen. Der Nachbar unter ihm hatte offensichtlich mehr Tagesfreizeit, seine Wohnung durfte gemütlich warm gewesen sein, wenn man die Abstrahleffekte der aufsteigenden Luft vom Stockwerk darüber extrapolierte. In meiner Erinnerung war es immer winterlich und es lief immer Element of Crime. Passte auch gut zur allgemeinen und besonderen zartherben Stimmung jener Zeit. Jetzt zieht der Sohn nach Berlin - und für mich ist es noch immer das richtige Lied. Für ihn natürlich nicht, er hat dafür andere ohne deutschen Akzent.