Donnerstag, 18. Januar 2018

Winter Wonderland

Die Sorgen hätte ich mir sparen können. Wir hatten bis vorgestern Besuch aus Spanien. Mich beunruhigte, wie Spanier mit der hiesigen Wintertristesse klarkommen sollten. Als wir nach ihrer Ankunft vom Flughafen mit S- und U-Bahn nach Hause fuhren, dachte ich fortwährend, wie grau und hässlich im Januar (und November und Dezember und Februar und März) alles aussieht. Ich wollte mich schon fast schämen und wortreich um Entschuldigung bitten: Spanien empfängt mich (fast immer) mit Sonne, knalligen Farben und Wärme - und hier ist es SO. Wie gesagt die Sorge war unbegründet. Die Kinder fanden alles auch in grau spannend. Sie wunderten sich, warum die Türen beim Schließen piepen, warum oben auf Schildern an den S-Bahnhöfen Spieße angebracht sind, wie viele Baustellen es in Hamburg gibt. Sie bekamen leuchtende Augen, als ich ankündigte, wir müssten in die U-Bahn umsteigen („¿subterráneo?“). Als wir aus dem heimatlichen U-Bahnhof herauskamen, dachte ich noch, wie grässlich grau, unwirtlich und karg selbst „unser“ Park um diese Jahreszeit aussieht. Vorher in der S-Bahn hatte ich schon Erwartungsmanagement betrieben, indem ich ankündigte, heller werde es an diesem Tag - und vermutlich auch an den folgenden - leider nicht. Nicht nur die Kinder waren begeistert, als das Erste, dessen sie überirdisch ansichtig wurden, ein Eichhörnchen (gähn!) war. Eine Familie in heller Aufregung. Noch nie haben sie eines gesehen, man müsse unbedingt Fotos von ihm machen. Warum es hier sei, lebe es nicht eigentlich im tiefen Wald? Als es weghoppelte, einen Nadelbaum hochkletterte, verschwand und sie enttäuscht zurückließ, konnte ich alle Besucher beruhigen: es werde noch mehr Gelegenheiten zur Eichhörnchensichtung geben. Sie kommen schließlich auch auf unsere Balkons. Und nicht zu meiner Freude - das verschwieg ich, man will ja nicht als teutonischer Unmensch gelten. Das Grau hielt an, aber die Begeisterung der Besucher auch. Ihnen gefiel, dass es in jedem Laden, in jedem Café und in jeder Wohnung so schön warm sei. Ja, die Vorteile einer Zentralheizung sind nicht von der Hand zu weisen. Ihnen gefielen die Gebäude. Selbst den Hauptbahnhof in grau fanden sie „muy bonita“. Einzige Enttäuschung: dass die Alster nicht zugefroren sei. Ihnen kam es wohl kalt genug vor. Große Überraschung bei allen Besuchern, als ich erklärte, dafür brauche es zwingend Minusgrade. Diesen Zusammenhang kannten sie nicht. Ihnen war es auch so draußen sehr kalt. Die Kinder klagten, es sei so frostig, dass die Gesichtshaut wehtue. Zur Erinnerung: wir hatten untere einstellige Plusgrade. Ob der Kälte und der Klagen ihrer Kinder fragte sich die Mutter kurzzeitig, wie man hierzulande den Winter mit Kindern überstehe. Das frage ich mich auch immer noch. Doch diese Zweifel machten schnell wieder der allgemeinen Begeisterung Platz. Verwunderung lediglich darüber, dass die (echten!) Weihnachtsbäume hier so frühzeitig entsorgt werden, die seien doch noch gut - was wahrscheinlich bedeutet, sie haben noch mehr als 50% ihrer ursprünglichen Nadeln.


Vermutlich lässt sich der hiesige Winter in kurzen Spannen durchaus ertragen. Wenn man weiß, dass man nach drei Tagen wieder 20 Grad plus und Sonnenschein hat. Die Handschuhe behält man dort zur Sicherheit trotzdem an.

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