Das kam so: Nach einer viel zu kurzen Nacht war ich morgens früh wieder einmal auf dem letzten Drücker unterwegs. Nicht förderlich war die App der Hamburger Verkehrsbetriebe, die lustige Angaben machte, die jedoch wenig mit real existierenden Bussen oder Bahnen zu tun hatte. In letzter Sekunde kam ich zum Standesamt. Etwas außer Atem fragte ich den Pförtner, wo ich hinmüsse. Unwirsch antwortete er mir: „Zweiter Stock.“ Darüber war ich zwar verwundert, doch mein letzter Besuch in diesem Amt lag bereits über 25 Jahre zurück. Ich hatte demnach keine belastbare Ortskenntnis. Immerhin bot sich mir dadurch die Gelegenheit, mit dem Paternoster zu fahren. Im zweiten Stock angekommen nahm sich eine nette Standesbeamtin meiner an. Sie rollte die Augen wegen des Pförtners („Der ist neu!“) und versprach freundlicherweise, mich zum rechten Ort zu bringen. Wir gingen die Treppe herunter ins Erdgeschoss zurück. Dort befand sich der gewünschte Trauraum, dessen bereits geschlossene Tür jedoch den Zugang verhinderte. Die Beamtin riet mir zu klopfen. Das traute ich mich nicht. Wickie-gleich hatte sie eine Idee. Sie schlug mir vor, ich solle ums Haus gehen und auf der Terrasse in den Raum schauen, von dort aus sehe man mich und lasse mich ein. Sie brachte mich dorthin. Indes hatte die Trauung bereits begonnen. Alle waren wahlweise vollständig gebannt oder ihr Blick tränenverschleiert oder beides. In jedem Fall entdeckte mich die gesamte Zeremonie lang niemand. Zum ersten Mal in meinem Leben sang ich das Hohelied der schlechten Isolierung. Dank ihr konnte ich auch draußen jedes Wort verstehen - und anders als bei allen anderen Gästen blieb meine Rührung unentdeckt.
Sonntag, 27. Juli 2025
Das macht mir kaum jemand nach
Nicht vielen Menschen ist es vergönnt, einer Trauung, zu der sie eingeladen sind, von der Terrasse aus beizuwohnen. Mir schon.
Mittwoch, 23. Juli 2025
Zurück
Ein Tag zum Abschaffen. Wie üblich zum Schulferienanfang bleibt das hiesige Wetter anhaltend schlecht. Langsam schlägt das ewige Grau auf die Stimmung. Immerhin konnte das Melonencape Schlimmeres verhindern. Wenngleich trocken, bei der Arbeit ein Tag, an dem man sich wünschte, die Kaffeemaschine gäbe auch Schnaps her. Doch hier im Norden ist nicht alles schlecht. Anders als in Luxemburg kann man wenigstens abends einigermaßen ungestört an Getränke kommen. Dort nämlich wird es schwer, nach Konzerten an ein Glas Wein zu kommen. Sperrstunde um 23 Uhr. Die Zeit wäre unproblematisch, wenn das Auto aus der Garage loszueisen gewesen wäre. Deklariert wurde der gewählte Parkplatz als öffentlich. Weniger publik war, wie man die Schranke an der einzigen Ausfahrt zum Öffnen bewegen könnte. Zunächst musste ein Parkautomat aufgetan werden. Der versteckte sich. Irgendwann hieß es von Einheimischen, man müsse eine Gegensprechanlage betätigen, um eine Tür öffnen zu lassen, hinter der sich irgendwo ein Automat befinden solle. Nach Wartezeit meldete sich eine Stimme aus dem Off und entriegelte die Tür. Als ob das alles in der einsetzenden Dunkelheit nicht gespenstisch genug gewesen wäre, musste ich unbeleuchtete Gänge entlanglaufen, die mit „Leichenschauhaus“ und „Abschiedsraum“ beschildert waren. An irgendeinem Ende fand ich schließlich das Gerät und konnte sogar die Parkgebühr entrichten. Doch der bezahlte Parkschein war noch immer kein Garant für freie Ausfahrt. Der Schrankenöffner entpuppte sich als „Außer Betrieb“. Nur durch gutes Zureden und wahlloses Knopfdrücken entließ er vereinzelt Autos in die Freiheit. Irgendwann gelang es auch uns. Nur noch schnell etwa zehn Kilometer Autofahrt durch bergige Serpentinen. Zur Belohnung endlich Wein, serviert von einer Dame, deren Service-Orientierung zwischen DDR und Tankstelle nach Mitternacht oszillierte. Spröde kann man auch außerhalb Norddeutschlands richtig gut.

Dienstag, 22. Juli 2025
Anderswo
Seit vielen Jahren lebe ich nun in Norddeutschland und seit vielen Monaten bin ich dort nicht herausgekommen. Da braucht es bei Standortverlagerungen eine gewisse Zeit des Akklimatisierens. Weniger wegen des Klimas, als mehr wegen der Sprache. Am Sonnabend war ich auf dem Markt in NRW (hier ist diesmal ausnahmsweise nicht Nettoreichweite gemeint) weiterhin leicht verwundert, als die Blumenhändlerin von irgendwelchen Pflanzen meinte, „die brauchen rischtisch wat unter die Füße“. Was sie wohl damit sagen wollte? Ich vermute, viel Erde unter sich. Die Menschen reden anders und Ortsnamen klingen unterdessen seltsam. Die Verwunderung wird nicht weniger, je weiter es in den Westen geht. Schon bevor wir die Grenze passierten, fühlten wir uns sprachlich nicht mehr ganz zu Hause. In Luxemburg jedenfalls reden die Einheimischen wirklich drollig. Um mein landessprachliches Unvermögen nicht allzu deutlich werden zu lassen, spreche ich lieber gleich französisch. Neben unterhaltsamen Idiom sind (fast) alle dort sehr freundlich. Die Landschaft ist wunderschön, die Gebäude nicht selten auf ansprechende Weise alt. Auch erschien mir unnötig, in Belgien ein Hinweisschild mit „De laatste fritture“ vor der Grenze aufzustellen. Kulinarisch wirkte das noch kleinere Nachbarland in keiner Weise schlechter. Das Wetter war in Luxemburg gar um Längen besser als im strömenden Regen Belgiens. Alles passte also im Großherzogtum. 





Und dennoch passte es in meinem Kopf nicht zwingend zusammen, im Amphitheater eines luxemburgischen Schlosses den Klängen eines eindeutig norddeutsch sozialisierten Sven Regener zu lauschen. Dieses Element of Crime-Konzert war - wie die gesamte Exkursion - außergewöhnlich schön, aber auch ein wenig verwirrend. Es ging mir offensichtlich nicht allein so. In beiden Ortsansagen konnte sich Herr Regener nicht ganz rechtzeitig korrigieren, als ihm zweimal „hier im Großherzogtum Lauenburg“ herausrutschte, das er nur mit großer Willensanstrengung zu „Luxemburg“ umwandeln konnte.
Sonntag, 13. Juli 2025
Genau mein Humor
Manchmal fühle ich mich auch nach vielen, vielen Jahren noch fremd in der Wahlheimat. Oftmals liegt es an der hiesigen Pfeffersack-Mentalität. Gelegentlich ist es einfach nur Unverständnis. Kann mir irgendjemand einen guten Grund verraten, warum man ganz Straßenverläufe zupflastert und zubaut, um anschließend mit Mühen (und vermutlich ungewissem Ausgang) überdimensionale Holzkisten aufzustellen und darin mit Kränen Bäume einzutopfen? Und dann auch noch schief. Ja, ja, ich weiß unterdessen um das hiesige Mantra: beten scheef hett Gott leev.

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