Das kam so: Nach einer viel zu kurzen Nacht war ich morgens früh wieder einmal auf dem letzten Drücker unterwegs. Nicht förderlich war die App der Hamburger Verkehrsbetriebe, die lustige Angaben machte, die jedoch wenig mit real existierenden Bussen oder Bahnen zu tun hatte. In letzter Sekunde kam ich zum Standesamt. Etwas außer Atem fragte ich den Pförtner, wo ich hinmüsse. Unwirsch antwortete er mir: „Zweiter Stock.“ Darüber war ich zwar verwundert, doch mein letzter Besuch in diesem Amt lag bereits über 25 Jahre zurück. Ich hatte demnach keine belastbare Ortskenntnis. Immerhin bot sich mir dadurch die Gelegenheit, mit dem Paternoster zu fahren. Im zweiten Stock angekommen nahm sich eine nette Standesbeamtin meiner an. Sie rollte die Augen wegen des Pförtners („Der ist neu!“) und versprach freundlicherweise, mich zum rechten Ort zu bringen. Wir gingen die Treppe herunter ins Erdgeschoss zurück. Dort befand sich der gewünschte Trauraum, dessen bereits geschlossene Tür jedoch den Zugang verhinderte. Die Beamtin riet mir zu klopfen. Das traute ich mich nicht. Wickie-gleich hatte sie eine Idee. Sie schlug mir vor, ich solle ums Haus gehen und auf der Terrasse in den Raum schauen, von dort aus sehe man mich und lasse mich ein. Sie brachte mich dorthin. Indes hatte die Trauung bereits begonnen. Alle waren wahlweise vollständig gebannt oder ihr Blick tränenverschleiert oder beides. In jedem Fall entdeckte mich die gesamte Zeremonie lang niemand. Zum ersten Mal in meinem Leben sang ich das Hohelied der schlechten Isolierung. Dank ihr konnte ich auch draußen jedes Wort verstehen - und anders als bei allen anderen Gästen blieb meine Rührung unentdeckt.
Sonntag, 27. Juli 2025
Das macht mir kaum jemand nach
Nicht vielen Menschen ist es vergönnt, einer Trauung, zu der sie eingeladen sind, von der Terrasse aus beizuwohnen. Mir schon.
Mittwoch, 23. Juli 2025
Zurück
Ein Tag zum Abschaffen. Wie üblich zum Schulferienanfang bleibt das hiesige Wetter anhaltend schlecht. Langsam schlägt das ewige Grau auf die Stimmung. Immerhin konnte das Melonencape Schlimmeres verhindern. Wenngleich trocken, bei der Arbeit ein Tag, an dem man sich wünschte, die Kaffeemaschine gäbe auch Schnaps her. Doch hier im Norden ist nicht alles schlecht. Anders als in Luxemburg kann man wenigstens abends einigermaßen ungestört an Getränke kommen. Dort nämlich wird es schwer, nach Konzerten an ein Glas Wein zu kommen. Sperrstunde um 23 Uhr. Die Zeit wäre unproblematisch, wenn das Auto aus der Garage loszueisen gewesen wäre. Deklariert wurde der gewählte Parkplatz als öffentlich. Weniger publik war, wie man die Schranke an der einzigen Ausfahrt zum Öffnen bewegen könnte. Zunächst musste ein Parkautomat aufgetan werden. Der versteckte sich. Irgendwann hieß es von Einheimischen, man müsse eine Gegensprechanlage betätigen, um eine Tür öffnen zu lassen, hinter der sich irgendwo ein Automat befinden solle. Nach Wartezeit meldete sich eine Stimme aus dem Off und entriegelte die Tür. Als ob das alles in der einsetzenden Dunkelheit nicht gespenstisch genug gewesen wäre, musste ich unbeleuchtete Gänge entlanglaufen, die mit „Leichenschauhaus“ und „Abschiedsraum“ beschildert waren. An irgendeinem Ende fand ich schließlich das Gerät und konnte sogar die Parkgebühr entrichten. Doch der bezahlte Parkschein war noch immer kein Garant für freie Ausfahrt. Der Schrankenöffner entpuppte sich als „Außer Betrieb“. Nur durch gutes Zureden und wahlloses Knopfdrücken entließ er vereinzelt Autos in die Freiheit. Irgendwann gelang es auch uns. Nur noch schnell etwa zehn Kilometer Autofahrt durch bergige Serpentinen. Zur Belohnung endlich Wein, serviert von einer Dame, deren Service-Orientierung zwischen DDR und Tankstelle nach Mitternacht oszillierte. Spröde kann man auch außerhalb Norddeutschlands richtig gut.

Dienstag, 22. Juli 2025
Anderswo
Seit vielen Jahren lebe ich nun in Norddeutschland und seit vielen Monaten bin ich dort nicht herausgekommen. Da braucht es bei Standortverlagerungen eine gewisse Zeit des Akklimatisierens. Weniger wegen des Klimas, als mehr wegen der Sprache. Am Sonnabend war ich auf dem Markt in NRW (hier ist diesmal ausnahmsweise nicht Nettoreichweite gemeint) weiterhin leicht verwundert, als die Blumenhändlerin von irgendwelchen Pflanzen meinte, „die brauchen rischtisch wat unter die Füße“. Was sie wohl damit sagen wollte? Ich vermute, viel Erde unter sich. Die Menschen reden anders und Ortsnamen klingen unterdessen seltsam. Die Verwunderung wird nicht weniger, je weiter es in den Westen geht. Schon bevor wir die Grenze passierten, fühlten wir uns sprachlich nicht mehr ganz zu Hause. In Luxemburg jedenfalls reden die Einheimischen wirklich drollig. Um mein landessprachliches Unvermögen nicht allzu deutlich werden zu lassen, spreche ich lieber gleich französisch. Neben unterhaltsamen Idiom sind (fast) alle dort sehr freundlich. Die Landschaft ist wunderschön, die Gebäude nicht selten auf ansprechende Weise alt. Auch erschien mir unnötig, in Belgien ein Hinweisschild mit „De laatste fritture“ vor der Grenze aufzustellen. Kulinarisch wirkte das noch kleinere Nachbarland in keiner Weise schlechter. Das Wetter war in Luxemburg gar um Längen besser als im strömenden Regen Belgiens. Alles passte also im Großherzogtum. 





Und dennoch passte es in meinem Kopf nicht zwingend zusammen, im Amphitheater eines luxemburgischen Schlosses den Klängen eines eindeutig norddeutsch sozialisierten Sven Regener zu lauschen. Dieses Element of Crime-Konzert war - wie die gesamte Exkursion - außergewöhnlich schön, aber auch ein wenig verwirrend. Es ging mir offensichtlich nicht allein so. In beiden Ortsansagen konnte sich Herr Regener nicht ganz rechtzeitig korrigieren, als ihm zweimal „hier im Großherzogtum Lauenburg“ herausrutschte, das er nur mit großer Willensanstrengung zu „Luxemburg“ umwandeln konnte.
Sonntag, 13. Juli 2025
Genau mein Humor
Manchmal fühle ich mich auch nach vielen, vielen Jahren noch fremd in der Wahlheimat. Oftmals liegt es an der hiesigen Pfeffersack-Mentalität. Gelegentlich ist es einfach nur Unverständnis. Kann mir irgendjemand einen guten Grund verraten, warum man ganz Straßenverläufe zupflastert und zubaut, um anschließend mit Mühen (und vermutlich ungewissem Ausgang) überdimensionale Holzkisten aufzustellen und darin mit Kränen Bäume einzutopfen? Und dann auch noch schief. Ja, ja, ich weiß unterdessen um das hiesige Mantra: beten scheef hett Gott leev.

Montag, 30. Juni 2025
Mal was anderes
Bis zum Samstagabend war das Wochenende eine Aneinanderreihung schief gelaufener Kleinigkeiten. Dabei sollte es das erste Wochenende seit längerem sein, das ich vollständig selbstbestimmt verbringen konnte. So der Plan. Erst fing es genau in dem Moment an zu regnen, als ich die Wäsche auf dem Balkon aufgehängt hatte. Dann wurde der Sportkurs, zu dem ich mich angemeldet hatte, kurzfristig abgesagt. Um mich zu trösten, wollte ich mir einen Kaffee gönnen. Die Maschine jedoch verweigerte die Kooperation, angeblich weil sie entkalkt werden wollte. Selbstredend hatte ich keinen Entkalker im Haus. Den musste ich zunächst besorgen; irgendwann fand ich ihn sogar in unserer rumpeligen Budni-Filiale. Das Programm lief natürlich nicht durch, weil es dafür den Milchschäumer benötigt, dieser lässt sich aber nicht mehr anschließen. Sie nennen es Zirkelbezug. Ich ließ also die Entkalkerbrühe einfach so durch den Kaffeebereiter laufen. Das bewirkte zwar nicht, dass das blinkende Licht ausging, aber zumindest spuckt das Gerät, wenngleich unter wütendem orangefarbenen Protest, wieder Kaffee aus. Soweit hergestellt, war ich abends bereit, einen kleinen Kurzurlaub ins bevorzugte französische Restaurant anzutreten und vor allem sehr zu genießen. Ab da lief alles wie am Schnürchen. Selbst zum Sport bin ich mit einem Tag Verspätung gekommen. Dieser Kurs hat zwar nicht unbedingt den besten Trainer, mit dem der Laden aufwarten kann, aber es ist der, der vermutlich den höchsten Unterhaltungswert hat. Zu Beginn fragte der allzeit posende Kursleiter (oder der kursleitende Poser?) eine Teilnehmerin, wie sie heiße. Ihre Antwort war „Britta“. Also wurden wir angehalten, uns an Britta zu orientieren. Nach oftmaligem Gebrauch ihres Namens meinte der Trainer irgendwann, wir sollen uns Sybille ansehen, sie mache die Übung genau richtig. Beim Versuch, einen Blick auf die vorbildliche Sportlerin zu erhaschen, gluckerte ich bald unter. Ich konnte sie nicht finden. Dann folgte mein Blick endlich seinem Finger und ich stellte fest, er zeigte auf mich. Dadurch erhöhte sich meine Untergangstendenz weiter, diesmal weil ich so lachen musste. Ebenso wie er vorher herumgebrittat hatte, sybillte er mich anschließend fortwährend („Du machst das schon länger, Sybille? Das merkt man.“; „Sybille, nächstes Mal nimmst du dir die richtigen Hanteln!“ usw. usf.). Als mich eine andere Kursteilnehmerin fragte, ob ich wirklich Sybille heiße, war ich kurzzeitig versucht, ja zu sagen. In dem Fall hätte ich mir allerdings den Zugang erschlichen. So abgebrüht bin ich nicht.
(Dieses Bild stammt von einem anderen Kurs.)
Montag, 23. Juni 2025
Soll vs. Ist
Es lief anders als geplant. Heute früh beispielsweise stellte ich mich darauf ein, zumindest bis kurz nach sieben schlafen zu können. Dies vereitelte selbstverständlich die Glascontainerleerung gegen 6:30 Uhr. Eigentlich könnte ich diese Ruhestörung unterdessen in meine Tagesplanung einbeziehen und sonntags früher ins Bett gehen. Doch damit rechnen sie bloß. Sonntag hätte sich das Gewitter meinetwegen noch eine halbe Stunde Zeit lassen können. Dann wäre ich wahrscheinlich mit dem Grillen fertig gewesen und hätte nicht Zelturlaub nachstellen müssen: alles mindestens klamm, wenn nicht gar triefnass. Der Grill stand vollständig unter dem Sonnen-/Regenschirm, während die Wassermassen über meinen Rücken bodenwärts flossen. Auch der Sonnabend lief nicht zu hundert Prozent nach meiner Vorstellung. Am Vortag hatte mir eine Kollegin vom Bienenstich ihrer Tochter erzählt. Ich gab voll die Auskennerin. Wenn sie keinen Stachel mehr im Finger gehabt habe, könne es nur ein Wespenstich gewesen sein. Anschließend dachte ich erfreut, schon seit Ewigkeiten von Insektenstichen aus der Kategorie über Mücken verschont geblieben zu sein. Ein Gedanke, der sich praktisch sofort rächen sollte und den ich fast herbeibeschworen hatte, indem ich die blütenfrische Wäsche zum Trockenbacken auf dem Balkon aufhängte. Der gute Geruch lockte mindestens eine Biene an, in die ich - barfuß, Ehrensache! - trat. Der Sohn staunte nicht schlecht, wie schnell seine jaulende Mutter ihren Mittelfuß vom Stachel befreite. Dank der beherzten Aktion konnte ich sogar am Abend wieder ausgehen. Und die Abendstimmung der kürzesten Nacht einfangen. Wenn auch nicht festhalten. Die Fotos sind ähnlich gelungen wie die letzten Sommer in Dresden. Man merkt doch sofort, dass beide Städte an der Elbe liegen.

Donnerstag, 12. Juni 2025
Nachlese Pfingsten
Das Wetter passte nicht zu den Feiertagen. Für Weihnachten wäre es ok gewesen, für Ostern vielleicht auch noch, aber für die letzten Feiertage vor dem Herbst (zumindest für uns betriebsame Norddeutsche) lag es selbst unter dem regionalen Niveau. Der schwäbische Besuch war dennoch bägeischdärd. Mit viel Wasser konnte Hamburg wirklich aufwarten. Und mit frischem Wind. Beides vermisse man in Stuttgart und Umgebung schmerzlich, hieß es. Währenddessen trieb sich die Tochter ganz im Norden Deutschlands (laut Telekom: „Willkommen in Dänemark“) auf einem Campingplatz an der Ostsee herum. Dort wurde sie mit Mittelfinger und Mahnungen gemaßregelt, weil sie sich erdreistet hatte, nicht genau die ausgewiesenen Wege zu nutzen und auf die Wiese eines Stellplatzes getreten war. Manchmal mäkele ich an Hamburg und viel seltener sogar an unserem beschaulichen Dorf herum, weil es eben nicht Hauptstadt ist. Doch wenn ich mir die Alternativen ansehe, bin ich sehr zufrieden hier. Mit dem Angebot, der Freiheit, der Luft, dem „Springbock-Bett“ (neues schwäbisches Zitat) und vor allem einem neuen Badezimmer.

Donnerstag, 5. Juni 2025
Monatsanfang
Der Start des Juni lief anders als geplant. An seinem ersten Tag, dem Sonntag sollten die Fahrräder aktiviert werden, indem sie ganz entspannt mit der neuen Kompressionspumpe aufgepumpt würden. Mit Chance würden sie - weil das kleine Kästchen die anstrengende Pumparbeit übernehmen sollte - anschließend von Staub und Spinnenweben befreit. Diese Tagesordnungspunkte klappten einigermaßen, letzterer vor allem durch den Regen- und Hagelschauer, der einiges an Verwahrlosung abspülte. Der allerdings dazu führte, dass die Nachbarin und ich uns an die Hauswand drückten, um nicht selbst in die Wassermengen zu geraten. Während die Katze um meine Beine scharwenzelte, dachte ich darüber nach, die Hose wegen der Tierhaare anschließend waschen zu müssen. Das fand ich ein wenig ärgerlich, hatte ich doch den ersten Teil der Nacht von Freitag auf Samstag damit verbracht, mein Schlafzimmer von Katzenrückständen zu befreien (der Handwerker hatte verständlicherweise nicht aufgepasst, sich neben dem Badezimmer noch um allzu neugierige Viecher zu kümmern). Um die Hose hätte ich mir keine Gedanken machen müssen. In kürzester Zeit stand ein Kinderbadesee direkt am Haus, und noch viel bedrohlicher, über meinem Keller. Dieser hielt sich beständig, da das Siel (andernorts: der Gully) vollständig verstopft war. Wenig hilfreich war in diesem Zusammenhang die Glasfaserverlegung am Freitag zuvor. Wurden doch alle Pflastersteine des Gehwegs entnommen und mit viel Sand wieder eingesetzt. Dieser bildete mit all‘ dem, was die Bäume vorher abgeworfen hatten, eine wunderbare Spachtelmasse. Der Unterwassergully war nur zu finden, indem wir die genauen Abstände zwischen ihm und den anderen beiden skalierten. Dabei traf ich eine Ratte, die sich in den trockensten der drei geflüchtet hatte. Die Begegnung jedoch erhöhte nicht unbedingt die Bereitschaft, weiter durchs knietiefe, undurchsichtige Wasser zu waten. Als Pfadfinderinnen im Geiste machten wir uns dennoch daran, ein wenig Sturmflut 62 nachzuspielen und mit Eimern, Töpfen und Schippen die Wassermassen abzutragen. Unser Enthusiasmus erlahmte etwas, als eine regennasse Nachbarin ohne ihren Mann vom Fahrradausflug zurückkehrte und staunend fragte: „Ist das Siel verstopft?“ Ich war kurzzeitig versucht, sie vom Rad zu ziehen, ihren Kopf ins brackige Wasser zu stuken und mich bei ihr zu erkundigen, wonach es denn aussehe. Meine gute Kinderstube hielt mich davon ab. Wir ackerten weiter, bis der See inklusive Sediment abgetragen war. Anschließend war nicht nur die Hose reif für die Wäsche. Auch der Rest von mir. Die Schuhe, Pseudo-Adiletten mit rosa Kunstpelz, gar ein Fall für die Tonne. Die Tochter kommentierte es am folgenden Tag damit, ihr Bruder werde traurig sein, seine (!) Lieblingsschlappen nicht mehr nutzen zu können. Auch in unserem beschaulichen Dorf müssen wir Rückschläge hinnehmen.
Samstag, 31. Mai 2025
Alles neu macht der Mai
Höchste Zeit diesen Monat zu bilanzieren. Das Wetter gab bis auf den heutigen Tag nicht viel her, im Grunde war es zu kalt und lange Zeit zu trocken. Umso aufregender war alles andere. Eine Baustelle im eigenen Haus, ein Konzert, ein Salon mit illustrem Speaker, ein dreitägiger Besuch des Sohnes, lange Nächte und einen „Dekonstruktionsauftrag“ erhalten. Da soll noch jemand sagen, im fortgerückten Alter passiere nichts mehr. 
Wie aufregend wird erst der kommende Monat, wenn die Baustelle keine mehr sein wird. Ich kann es kaum erwarten. So richtig weiterentwickelt habe ich mich wohl nicht seit dem Weihnachten, als ich vier Jahre alt war.
Freitag, 23. Mai 2025
Aber schön
Schön ist es, mit der Tochter auf ein Konzert zu gehen.


Noch schöner ist es, wenn das Resümee des Abends sehr ähnlich ausfällt und von der Tochter mit „solide“ besser beschrieben wird, als ich selbst es vermochte. Wenn im Anschluss vor der Tür einer der Musiker nach Feuer fragt und sich nicht nur dafür, sondern auch für unser Kommen bedankt, geht die Bewertung nachträglich noch ein wenig nach oben. Schön auch, dass die Tochter meine Bemerkung, sie habe den Altersschnitt des Abends deutlich gesenkt, mit dem Statement „Du aber auch“ retourniert.
Weniger schön, dass es sich als unmöglich erwies, direkt vor Ort ein Taxi zu bekommen. Die Bestellung („Ihr Wagen kommt in 9 Minuten, VW Touran mit dem Kennzeichen HH-TY…“) klappte nicht, weil der Fahrer achtlos an uns vorbeirauschte, auf der Anzeige der App verschwand (HVV-Style), und mich höchstwahrscheinlich der vermeintlich verprellte Fahrer anschließend auf dem Fußweg zur S-Bahn telefonisch terrorisierte. Fun Fact: Die nächste S-Bahn hätte dann eine Viertelstunde gebraucht, um zu erscheinen. Dann eben von dort aus ein Taxi, das uns geräuschlos bis vor die Haustür brachte.
Zuspruch und Positives ist so wichtig in dieser schweren Zeit, in der uns „unser Geselle Dennis“ fehlt, weil er mit seinen Arbeiten weltmeisterlich vier Tage vor der Zeit fertig geworden ist, und nun die heimische Baustelle auf Weiteres ruht.
Mittwoch, 14. Mai 2025
Weiter so?
Meine Fähigkeiten zur Orientierung sind ähnlich gut ausgeprägt wie die handwerklichen. Muss man mir erst einmal nachmachen, in einer Stadt, in der ich seit etwa dreißig Jahren lebe, zweimal an einem Tag jeweils zwei Stunden zu spät zu Verabredungen zu kommen. Nicht etwa, weil die Umstände widrig gewesen wären sondern hauptsächlich, weil ich Wege mit ÖPNV oder zu Fuß offensichtlich nur bedingt bewältige. Dazu gehören: Bis zur Endhaltestelle zu fahren, um dort festzustellen, dass man vorher hätte umsteigen müssen; mit der Ringbahn etwa 300° zu fahren anstelle der kürzeren 60° (und dabei auch noch ohne Not mitten in den Hafengeburtstag zu gelangen); am U-Bahnhof unweit des heimischen selbst mit Telefon in der Hand nicht zu wissen, in welche Richtung zu gehen ist; meilenweit am Zielort vorbeizugehen, um dann auf dem Rückweg im Nachbarhaus inmitten eines Kindergeburtstags zu landen usw. usf. Es fiele mir also leicht, in Sachen Handwerksarbeiten zu brillieren. Doch es gelingt mir nicht ganz. Am letzten Sonntag wollte ich endlich die neuen Rauchmelder installieren. Dass ich im Zahlenraum eins bis zehn patzte und ein Gerät zu wenig aus dem Keller holte, Schwamm drüber, war schließlich Wochenende. Auf meinen ausgedehnten unterirdischen Besuchen konnte ich immerhin entdecken, dass es Nachbarn gibt, die in praktischen Dingen noch ungeschickter sind als ich: Ein verirrtes Eichhörnchen sollte durch eine quer aufgestellte Yogamatte am Kellerdurchgang gehindert werden. Als ob sich irgendein kletternder Nager von etwa 40cm weichem instabilen Hindernis von irgendetwas abhalten ließe. Als ich endlich die korrekte Anzahl Rauchmelder vor Ort hatte, studierte ich zunächst die Bedienungsanleitung und stieg dann auf die Leiter. Zu meiner Ehrenrettung muss ich sagen, die Halterung der alten Modelle funktionierte durch Eindrehen, die aktuelle regelt es anders, nämlich durch Kleben. Ich bin bestimmt keine DIY-Koryphäe (siehe oben), doch meinem Materialgefühl widerstrebt es, etwas auf einen unebenen Untergrund (Drehmechanismus) zu kleben. Doch kann ich nur mit dem arbeiten, was mir zur Verfügung steht. Und das sind schließlich die anzuklebenden Premium-Rauchmelder mit einer Lebensdauer von zehn Jahren. Seit der Installation regnet es in jeder Nacht mindestens einen. Wenn es gut läuft, gehen sie dabei nicht kaputt und ich kann sie am Morgen wieder befestigen. Jedenfalls weiß ich, womit ich die nächsten zehn Jahre verbringen werde. Umso besser, dass ich die echten Bauarbeiten den Profis überlassen kann. So habe ich wohl in zehn Tagen ein Deluxe-Badezimmer. Zum Glück ohne Rauchmelder und allzu große Gefahr, mich dort zu verlaufen.
Freitag, 9. Mai 2025
Früh aufstehen
Wenn ich derzeit bei der Arbeit aufschlage, sogar eher früher als sonst, habe ich mein Tagewerk schon fast vollbracht. Absprache mit Handwerkern, Nachbarn, Umdisponieren, Platz schaffen und so weiter und so fort. Es klappt für die Uhrzeit überraschend gut. Nehmt das, Elbtower, Elbphilharmonie, Flughafen BER, Stuttgart 21: Wir liegen deutlich vor dem Zeitplan! Es wird einem aber nichts geschenkt. Heute früh kurz nach sieben beispielsweise musste ich erstens erkennen, dass der weiße VW-Transporter auf dem unter Mühen organisierten Parkplatz nicht von meinem Handwerker genutzt wurde (ohne klare Sicht schwer auszumachen, dass der Wagen nicht zur Firma Mogck, sondern zur Firma Schrum gehörte) und zweitens den falschen Klempner fortjagen. Dann Smalltalk und Lagebesprechung mit dem richtigen Fliesenleger. Der wiederum erfreute mich durch sein Statement zum Badezimmer, wie es der Sanitärkollege hinterlassen hat: „Das sieht doch schon ansehnlich aus!“
Dennoch fiebere ich dem Wochenende entgegen, denn da darf ich ausschlafen. Mein Biorhythmus ist einfach nicht gemacht für die Kernarbeitszeiten des Baugewerbes.
Freitag, 2. Mai 2025
Raus zum ersten Mai
Den Tag der Arbeit habe ich dieses Jahr wirklich ernst genommen. Nicht etwa zum Demonstrieren - damit rechnen sie bloß. Nein, zum Arbeiten. Zwar hatte ich aus gutem Grund den Laptop in einem der normalerweise hart umkämpften Spinde in der Agentur eingeschlossen (langsam kenne ich mich doch…), doch auch zu Hause warteten - und warten noch immer - eine Vielzahl an Aufgaben. So beispielsweise Balkon II, der dringend nach Aufarbeitung verlangte. Nachdem ich eine Zeit lang auf Balkon I die Sonne genossen hatte, machte ich mich reichlich spät ans Werk. Um dann in Bestzeit auch Nummer zwei klarzumachen und mich anschließend mit reichlich Eiweiß beim Grillen mit den Nachbarn zu belohnen. Positiver Zusatznutzen: Während des lauen Grillabends erstens entspannt anderen Nachbarn beim Umzug zuzusehen und zweitens das Trocknen des Holzöls zu betrachten.
Sonntag, 27. April 2025
Meine Zeit
Langsam neigt sich mein Geburtstagsmonat dem Ende zu. Ich habe ihn gut ausgenutzt. Bekanntlich habe ich am Anfang des April Geburtstag. Da er dieses Jahr auf einen Sonnabend fiel, bekam ich die Glückwünsche der Kolleginnen und Kollegen erst in der folgenden Woche. Anschließend folgten weitere nachträgliche verschiedener Freundinnen, die das eigentliche Datum verpasst hatten. Dann war auch schon Ostern und Live-Gratulationen der Familie schlossen sich an. Eigentlich käme die Jahreszeit gut ohne Feierlichkeiten aus, so schön wie sie ist. Ganz viel Hellrosa, Gelb, schönstes Grün gepaart mit einem Himmelblau, das schon fast wie eine Aral-Tankstelle in den Augen schmerzt. Jeder Sonnenstrahl erfreut das Herz, der ganze Sommer liegt noch vor uns. Wer sollte da ernsthaft behaupten, der Herbst sei die beste Jahreszeit?



Mittwoch, 16. April 2025
Ich bin ein Star
So viel ich mich tagtäglich mit dem Fernsehen beschäftige, so sehr wundert es mich dennoch, darin zu sehen zu sein. Mein Nachbar fragte mich gestern kurz vor dem Feierabend, ob ich mir mit Jo Hiller ein zweites Standbein in Sachen Karriere aufbauen wolle. Mir sagte weder der Name etwas, noch verstand ich, was er mir damit bedeuten wollte. Dann erklärte er mir nicht nur, er habe mich am Anfang der Sendung „Die Tricks“ im NDR Fernsehen entdeckt, genau genommen am 14.4. kurz nach 21 Uhr, sondern schickte auch Standbilder mit. Langsam dämmerte es mir. (Zu meiner Ehrenrettung: Das dritte Programm ist werbefrei. Woher soll ich so etwas wissen?) Das war eine Mittagspause in der Europa-Passage im Januar. Ich erinnerte mich daran, hoffnungslos verlebt neben dem telegen überschminkten Mikro-Halter ausgesehen zu haben; Jo Hiller, wie ich unterdessen mit freundlicher nachbarschaftlicher Unterstützung weiß. Natürlich ist der übertragene Satz der unspektakulärste meiner Äußerungen, aber vermutlich der, bei dem ich am wenigsten stammele. Heute werde ich checken, wie hoch die Reichweiten meiner Sekunden des Ruhms waren; wenngleich nur die vorläufigen, an die endgültigen komme ich erst deutlich nach Ostern. Ich weiß, das liebt ihr so an mir: Ich bleibe trotzdem auf dem Teppich. 

Weil das so ist, stellte ich die natürliche Rollenverteilung nach Feierabend wieder her und ging als Claqueurin zu einer Veranstaltung mit unserem Kultursenator, dessen bekennender Groupie ich bin. Er verheddert sich nie in seinen durchaus langen und verschachtelten Sätzen. Alleine dafür muss man ihn mögen.
Freitag, 11. April 2025
Wochenende
Es steht zu befürchten, dass dieses Wochenende nicht das Niveau des letzten halten können wird. Es geht schon mit dem späteren Feierabend am Freitag los. Dem folgt, dass ich vermutlich nicht meine Kinder um mich haben werde. Es erforderte schon übertriebenen Zweckoptimismus, diese Tatsache in etwas Positives umzudeuten. Früher rettete ich mich damit, nur für die eigene Unordnung zuständig zu sein. Seit die Freundin des Sohnes mit von der Partie ist, gilt selbst diese goldene Elternregel nicht mehr. Ordnung und Sauberkeit erhöhen sich signifikant durch ihre Anwesenheit. 

Für die Feier selbst gilt selbstverständlich die gute alte Las Vegas-Regel. Nur so viel: Es war sehr schön, und meine sämtlichen Weinkontingente wurden getilgt. Da der folgende Tag ein Sonntag war, konnten die verräterischen Flaschen nicht aus unserem Flur in den Glascontainer expediert werden. Auch wenn mir der Racheakt für die vorzeitigen Leerungen im Grunde gefallen hätte. Das zahlreiche Leergut fiel allein deswegen nicht allzu unangenehm auf, weil die Wohnung von den weltbesten Gästen noch n der Nacht in einen besseren Zustand als den Status Quo Ante gebracht worden war. Montag war schließlich auch noch ein Tag. Und was für einer! Das Geschenk des Sohnes bestand in einem von ihm vorbereiteten, besorgten und gekochten Essen, das für diesen Abend einberaumt war. Es war so großartig und reichhaltig, dass der Rest der Woche mit den vielen Resten aufzuwerten gelang.
Weiterhin kann ich heute nicht guten Gewissens in meinen Geburtstag feiern, liegt er unterdessen doch schon sechs Tage zurück. Letzten Freitag wollte ich es mit Rücksicht auf das kommende Alter eigentlich auch nicht. Es wurde am Ende doch spät - und war auch gut so. Allein die folgenden Tagesordnungspunkte, allen voran die Feiervorbereitungen, verzögerten sich. In gefühlt etwas zerstörtem Zustand machte die Tochter Fotos von mir und postete sie auf TikTok oder wo sich junge Leute virtuell sonst noch tummeln. Ich erwog von meinem Recht am Bild Gebrauch zu machen und zu widersprechen. Da sagte sie, sie habe die Bilder mit „Coolste Mama“ oder Ähnlichem untertitelt. In dem Fall wollte ich nicht unnötig nörgeln. Zumal sofort positive Resonanz eintrudelte. Ernsthaft fing ich also erst eine Stunde vor offiziellem Party-Beginn an, das Essen in Angriff zu nehmen. Dank tatkräftiger Unterstützung gelang alles, sogar einigermaßen im Zeitrahmen. Notiz an mich: Nächstes Jahr den Start in Winterzeit festlegen.
Für die Feier selbst gilt selbstverständlich die gute alte Las Vegas-Regel. Nur so viel: Es war sehr schön, und meine sämtlichen Weinkontingente wurden getilgt. Da der folgende Tag ein Sonntag war, konnten die verräterischen Flaschen nicht aus unserem Flur in den Glascontainer expediert werden. Auch wenn mir der Racheakt für die vorzeitigen Leerungen im Grunde gefallen hätte. Das zahlreiche Leergut fiel allein deswegen nicht allzu unangenehm auf, weil die Wohnung von den weltbesten Gästen noch n der Nacht in einen besseren Zustand als den Status Quo Ante gebracht worden war. Montag war schließlich auch noch ein Tag. Und was für einer! Das Geschenk des Sohnes bestand in einem von ihm vorbereiteten, besorgten und gekochten Essen, das für diesen Abend einberaumt war. Es war so großartig und reichhaltig, dass der Rest der Woche mit den vielen Resten aufzuwerten gelang.
Wie ich nun ein ereignisloses Wochenende schaffen soll, erschließt sich mir noch nicht. Irgendwie werde ich es schon hinbekommen.
Montag, 31. März 2025
Was ist los?
Eben erst wurden die Glascontainer geleert. Darüber hätte ich selbst unter Winterzeitbedingungen kaum meckern können. Eine mañana- oder zumindest eine más tarde-Mentalität in der Hansestadt? Wunderte mich nicht. Schließlich muss ich hier im Norden ins Schwimmbad gehen, um Wasser live zu erleben, während es in anderthalb Wochen Spanien oft und gerne ungefragt von oben - oder noch schlimmer: von der Seite - kam. Auch die Temperaturen unterscheiden sich höchstens am Abend. Dass ich das noch einmal sagen würde: In Hamburg herrscht - anders als im Süden - anständiger Frühling. Wenn ich schon nicht altersgemäß die Müllabfuhr anprangern kann, beklage ich, dass das schöne Wochenende um eine Stunde verkürzt wurde, während das blöde im Herbst, das kein Mensch braucht, eine Stunde länger sein wird.
Dienstag, 25. März 2025
Temps de Mars
Wenn die Sonne scheint, kann sie etwas. Es ist schließlich März. Aber für meinen Geschmack zeigt sie sich ein wenig zu selten. Ich habe schon einige Märzferien hier im Süden verbracht, aber kann mich nicht an so viele Wolken, Regen und niedrige Temperaturen erinnern. Kein Tag, an dem sich durchgängig gutes Wetter hält. Auch wenn der Ort diese Woche aus seinem Winterschlaf zu erwachen scheint und selbst das präferierte Café Bombón-Hotel mit nur zehntägiger Verspätung (“cerrado de 8/12/2024 hasta 15/3/2025”) nun wieder geöffnet hat, habe ich gestern Nachmittag eine Mutter mit Kinderwagen gesehen, die ihre am Griff vormontierten gefütterten Fäustlinge tatsächlich genutzt hat. Auch Hunde tragen selbstverständlich Mäntelchen, wenn man sie in die unmenschliche Kälte schickt. Mützen, Schals und Daunenjacken sind ohnehin in Dauernutzung. Bliebe ich länger hier, reihte ich mich vielleicht sogar in diejenigen, die bei den ersten Tropfen Regen die Schirme aufspannen und mit verdrießlicher Miene durch die Gegend laufen. So denke ich - nicht ganz wahrheitsgemäß - eben doch: “Wir sind aus Hamburg, nicht aus Zucker.”
Mittwoch, 19. März 2025
Endlich
Nach zwei vollständig grauen und ins Wasser gefallenen Tagen hier im Süden ist heute zumindest Struktur am Himmel zu erkennen. Die urdeutschen Tugenden wie Backen, Heizen und Staubsaugen können zunächst einmal zur Seite geschoben werden. Unterdessen muss ich nicht mehr neidisch auf die Frühlingshochburg Hamburg blicken, denn ein paar Sonnenstrahlen verirren sich auch hierher. Vor allem für die Einheimischen ist dieser Wetterwechsel - fast zum Guten - ein Segen; ist doch heute der höchste von gefühlt zweihundert örtlichen und nationalen Feiertagen. In ganz Spanien findet am 19. März der Vatertag statt. Eine kuriose Entscheidung, ihn genau auf den St. Josef-Tag zu legen. Für mich wäre das eher der Kuckucksvatertag, aber was weiß ich schon. Abgesehen vom Hochprozentigen gibt es schließlich auch keinen mir bekannten Bezug zwischen Vätern und Himmelfahrt. Für die Region ist jedoch viel wichtiger, heute den Abschluss ihrer Fallas zu begehen. Dieses Jahr wird es doppelt spektakulär, weil nicht nur die Figuren der Umzugswagen verbrannt werden, sondern auch das traditionelle Feuerwerk stattfindet, das gestern wegen Regens um einen Tag verschoben wurde. Ich bin gespannt, ob morgen mit doppelter Aschermittwoch-Stimmung zu rechnen sein wird. Meine Prognose: Spätestens zum Länderspiel Niederlande - Spanien, Anpfiff 20:45 Uhr, ist der Kater vergessen. Dann muss zum Glück nicht mehr so fein unterschieden werden wie am Sonntagabend, als Atlético gegen Barça spielte, und man als anständige/r Valencianer/in selbstverständlich für die gestreiften Madrilenen sein musste. Ein Konterbier in der Kneipe hilft morgen wahrscheinlich auch.
Dienstag, 4. März 2025
Geschafft
Gestern morgen störte es mich ausnahmsweise kein bisschen, dass die Glascontainer neben meinem Ohr wieder einmal um 6:30 Uhr geleert wurden. Ich war ohnehin schon wach. Nicht freiwillig, sondern weil das Auszählen rief. Und das, obwohl wir erst ein paar Stunden vorher ein vorläufiges Ergebnis durchgegeben hatten. Sogar zweimal: einmal an die Wahlstelle und einmal an die Forschungsgruppe Wahlen. Auf letzteres hätten wir gut verzichten können, war doch die Abgeordnete der Meinungsforschung eine unangenehme Person. Zunächst meldete sie sich nicht zum vereinbarten Zeitpunkt. Ich hoffte daraufhin - vergebens -, sie werde wegbleiben. Nach über zehn Stunden ehrenamtlicher Arbeit mit etwa 400 Wählerinnen und Wählern, so nett sie im Einzelnen auch sein mochten, wäre ich für jede Person weniger dankbar gewesen. Doch sie kam. Ich maßregelte mich selbst gedanklich, als sie sich „legimitierte“: „Sei nicht so kritisch, ist auch ein schweres Wort.“ Als sie dann jedoch mehrfach seufzend aufrief, sie habe ihr Buch vergessen, ob jemand von uns etwas zu lesen habe, ihr werde sonst die ganze Zeit langweilig sein, wärmte sie nicht unbedingt mein Herz. Nicht so wichtig, im Gegensatz zum Tag war uns unterdessen vom Wahlurne Leeren und Stimmzettel Sortieren nicht mehr kalt. Als sie nach weiterer Klage über fehlende Lektüre zunächst nach einem Stift und dann nach einem Getränk verlangte, war es allmählich um meine Geduld geschehen. Wo sie sich etwas zu trinken besorgen könne? Nörgelnd befand sie den nächstgelegenen Kiosk als zu weit entfernt und den Wasserspender nutzlos, da wir ihr - empörend! - kein Behältnis zur Verfügung stellen konnten. Irgendwann ging sie unter Klagen, um sich etwas zu besorgen. Währenddessen musste ich nicht nur ein Auge auf die Stimmzettel, sondern auch auf die Tür werfen, die nach 18 Uhr verschlossen war, um sie wieder hereinzulassen. Irgendwann kam sie mit einer Bierflasche zurück. Macht sich in einer Schule immer gut. Sie habe in ihrem Auto noch eine Pfandflasche gefunden. Ist klar. Von da ab störte sie den Betrieb nur noch kurzzeitig, wenngleich regelmäßig. Wie ein kleines Kind auf langer Fahrt bohrte sie zwar nicht, wann wir da seien, aber wann sie Ergebnisse bekomme, dass wir uns ihretwegen zu beeilen und die richtige Reihenfolge einzuhalten haben. Mein Stellvertreter wurde schließlich etwas lauter, während ich nur noch mantramäßig die Schwachgeistenantwort gab, es brauche so lange, wie es brauche. Irgendwann gegen Ende brachte sie mich vollends aus dem Zähl- und Addiermodus, als sie mit dem Telefon am Ohr meinte, sie habe ihre Auftraggeber am Rohr und jetzt müssten wir aber wirklich mal etwas durchgeben. Die Ergebnisermittlung verzögerte sich dank dieser Aktion noch ein wenig. Was wir ihr mitteilten. Ebenso wie die Stimmverteilung drei Minuten später. Eigentlich wollte ich erst das Amt informieren und sie warten lassen. Dann siegte die Vorstellung, sie früher loszuwerden. Müdigkeit und Erschöpfung mögen die Toleranzschwelle senken, aber nicht vollständig das Denken hemmen.
(So schön ist Hamburg nach der Wahl.)
(So schön ist Hamburg nach der Wahl.)
Freitag, 28. Februar 2025
In Hamburg sagt man Tschüß
Unterdessen träume ich jede Nacht von Wahlen. Ich finde, ich hätte mir zumindest in dieser kurzen Phase eine Auszeit verdient, doch mein Unterbewusstsein scheint anderer Meinung zu sein. Was soll es auch anderes tun, wenn neben bezahlter Arbeit zwischen den beiden Wahlen tagesfüllende Organisation ansteht?
Heute Nacht bewegte mich beispielsweise die Frage, ob Peter Tschentschers afghanische Mutter (wusste ich gar nicht!) in unserem Wahlbezirk für die Wahl zugelassen ist. Das wiederum hatte viele ermüdende Telefonate mit dem Wahlamt zur Folge. Nennt mich Seherin, wenn genau dieser Fall am Sonntag eintritt.
Dienstag, 25. Februar 2025
Nach der Wahl ist vor der Wahl
Wo war eigentlich dieses Wochenende, von dem alle immer sprechen? Bei mir hielt es leider keinen Einzug. Am Sonnabend musste ich zwar bloß ins Bezirksamt, um Unterlagen abzuholen, ins Wahllokal, um Tische und Stühle zu rücken und Pappkabinen aufzubauen, zur Bank, um passende Scheine für die Aufwandsentschädigungen zu besorgen, und zu Hause einen Kuchen fürs Team zu backen sowie die Süßkram-Boxen für die Wartenden zu beschicken. Doch am Sonntag folgte die ununterbrochene 14-Stunden-Schicht im Wahllokal, die zu meinem Leidwesen bereits kurz nach sieben Uhr morgens, manche sagen auch: nachts, begann. Sicher, die Zeit verging noch schneller als an einem herkömmlichen Wochenende, die Stimmung war allzeit gut bei uns und es hat oftmals Spaß gebracht. Dennoch startete ich die Woche verschlafener als üblich. Bin gespannt, wie sich die Steigerung zu Beginn der nächsten Woche anfühlen wird. Am Ende bestimmt alles wie weggeblasen, wenn ich einen Handschlag o.ä. vom Ersten Bürgermeister bekomme. Wenn nicht, lege ich diesen Ehrenamt-Marathon nie wieder ein.
Donnerstag, 13. Februar 2025
Ein Tag
What a Diff‘rence a Day Makes. Keine 24 Stunden vergangen und schon sieht alles unvorstellbar anders aus. Und fühlt sich vor allem anders an. Schnee zur Begrüßung passt zwar wunderbar zu meinem in Watte gehüllten Hörvermögen (Flug und Schnupfen, keine Traumkombi), wäre aber meinetwegen nicht nötig gewesen. Ich glaube, ich bestelle ihn ab.

Dienstag, 11. Februar 2025
Allein zu Haus
Diesmal bereitet es mir weniger Freude als sonst allein in der Ferne zu sein. Vermutlich hängt es weniger damit zusammen, mediterrane Romantik mit niemanden teilen zu können. Vielmehr liegt es wahrscheinlich daran, dass dieser Zustand nicht mehr exklusiv dem spanischen Refugium vorbehalten ist, sondern auch in unserem beschaulichen Dorf herrscht. Beide Kinder ausgezogen habe ich dort ebenfalls eine Wohnung - und einen Kühlschrank! - für mich alleine. Da fehlt hier ein wenig der Reiz des Besonderen. Was allerdings nicht bedeutet, dass ich hier nicht wärmeres Klima genieße und mich die anstehende Rückkehr in die norddeutsche Kälte gruselt. 

Ein Vorteil des Alleinseins liegt darin, mich an den Orten aufzuhalten, an denen ich sein möchte. Wäre ich mit meinen Kindern im Alter von eins bis fünf hier am Strand gewesen, weiß ich, ich hätte mich vor dem spanischen Feierabend - und der ist bekanntlich spät - nicht von der Stelle bewegen dürfen: Nicht nur ein kilometerlanger Sandkasten, Wasser, Fische, Krebse und weiteres Getier, nein, auch noch echte Laster und Schaufellader in Aktion! Doch ich kann einfach so weitergehen.
Sonntag, 9. Februar 2025
Ein bisschen Frühling
Die Einheimischen hatten recht. Ich hätte besser aufpassen müssen. Doch wäre weiterarbeiten eine Alternative gewesen? Ich glaube nicht. Ebensowenig wie ich glaube, dass die Erkältung von kalten Füßen oder nassen Haaren kommt. Dafür passt das Timing nicht. Wenn der Schnupfen genau in dem Moment aufkreuzt, in dem sich die erste, vorsichtige Freude über vier freie Tage in sonnigem Umfeld breitmacht. Die gute Laune bleibt seit Donnerstagabend dennoch
genau wie das Wetter ungetrübt. Selbst Schniefen ist schöner im Sonnenschein. Es kann kein Zufall sein, dass ich ebenfalls an diesem Abend die Gelegenheit geboten bekam, den Pinocchio unter den Zitronen klauen zu können. Er soll sicherlich die Hiesigen an die Lüge erinnern, dass offene Schuhe und Erkältung zusammenhängen.

genau wie das Wetter ungetrübt. Selbst Schniefen ist schöner im Sonnenschein. Es kann kein Zufall sein, dass ich ebenfalls an diesem Abend die Gelegenheit geboten bekam, den Pinocchio unter den Zitronen klauen zu können. Er soll sicherlich die Hiesigen an die Lüge erinnern, dass offene Schuhe und Erkältung zusammenhängen.
Montag, 3. Februar 2025
Montag eben
Wieder einmal habe ich es geschafft, bis zum Ende der Hinrunde nasse Hosenbeine zu haben. So weit, so normal, möchte man denken. Doch ich muss vorwegschicken, dass ich in der hiesigen „Kältewelle“ (arktische Höchsttemperaturen von max. +15°) ganz vernünftig lange Hosen, Strümpfe und geschlossene Schuhe trage. Somit habe ich mich immer ein paar Meter von der Wasserkante entfernt gehalten, als ich nach getaner Arbeit den Strandspaziergang antrat. Was kann ich dafür, wenn sich ein badender Dackel so sehr freut mich zu sehen, dass er schleunigst sein Meerbad beendet, um mir an den Beinen hochzuspringen? Die halbherzigen Kommandos seines Herrchens hielten ihn definitiv nicht ab. Im Grunde kann ich froh sein, keine Dogge angetroffen zu haben. So geht die Nässe nur bis knapp übers Knie. Und ohne wäre es wohl auch nicht authentisch.
Freitag, 31. Januar 2025
Im Süden
Die Dienstleistungsmentalität kann ich auch im Privaten nicht ablegen. Daher möchte ich die gestern auf dem Münchner Flughafen hinzugewonnenen Informationen einer breiteren Zielgruppe nicht vorenthalten. Vom Haartourismus in die Türkei wusste ich wohl. Die offensive Werbung dafür kannte ich bisher nicht. Aber vielleicht tummele ich mich einfach zu selten auf Flughäfen oder bin nicht aufmerksam genug für ungemein pfiffige Wortspiele. Aus irgendeinem Grund bin ich ganz froh, die Dienste - bisher - nicht in Anspruch nehmen zu müssen.
Sonntag, 26. Januar 2025
Das Orakel
Mein aktuelles Horoskop kommt vom Tourismusverband des Sehensuchtsortes. Genau dem, der dafür sorgt, im rechten Moment Möwen und Segelboote vorbei zu schicken, damit Fotos möglichst pittoresk oder gar insta-tauglich werden. Nicht nur sie befeuern, die Hansestadt sofort in Richtung Süden verlassen zu wollen. Es liegt auch an diesem Januar, der in vielerlei Hinsicht noch öder als viele seiner Vorgänger ist. Das einzig Stechende ist die Tristesse, ganz sicherlich nicht winterlich-waagerechte Sonnenstrahlen. Wie gut, dass ich den anstehenden Ortswechsel zusätzlich durch ein dieswöchiges Jubiläum motivieren kann. Gratuliert mir zu hölzernen Scheidung!
Mittwoch, 15. Januar 2025
Saison
Nun also beginnt die Zeit des Jahres, in der sich in der Wohnung an den merkwürdigsten Stellen Tannennadeln finden lassen. Sie dauert ungefähr ein Dreivierteljahr und endet erst kurz bevor der nächste Adventskranz mit neuen Nadeln Einzug hält. Es war nicht einmal so, dass der abgewrackte Weihnachtsbaum unglaublich genadelt hätte. Es lag vielmehr daran, dass meine Strategie, ihn aus dem Haus zu expedieren, nicht die beste war. Wenn man bei so viel Gezerre und Gefluche überhaupt von einer strategischen Maßnahme sprechen darf. In der Wohnzimmertür feststeckend musste ich zunächst über den verkanteten Koloss staksen, um eine Säge zu holen und ihn in zwei Teile zu zerlegen. Selbst dieses Portionieren reichte nicht, um den unteren Teil durch die nächste, etwas schmalere Haustür zu bekommen. Immerhin war es unterdessen etwa 22 Uhr an einem frostigen Montagabend. Ich lief also nicht Gefahr, von allzu vielen Menschen dabei gesehen zu werden, wie ich zwischen Baum und Türrahmen feststeckte. Mit roher Gewalt bekam ich schließlich auch das dicke Ende an den Straßenrand gezogen. Wenngleich ich befürchte, den letzten Abholungstermin verpasst zu haben. Das zweigeteilte Mahnmal an der Straßenecke wird mich vermutlich ähnlich lange wie die Nadeln in der Wohnung an letztjährige Festtage erinnern. Egal. Sonntagabend in trauter Dreisamkeit noch ein letztes Mal vor dem illuminierten Weihnachtsbaum zu sitzen, war zu schön. Unsere Feiertage enden immer erst nach dem Geburtstag der Tochter, so will es das Gesetz!


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