Donnerstag, 31. Oktober 2024

No Risk, No Fun

Umständehalber musste ich mich auf den Weg in den Süden machen. Das gestrandete Auto sollte nun nach knapp sechs Wochen schon fertig repariert sein. Obwohl es sich irgendwo in der Einöde Frankreichs befindet, führte mich der Weg zunächst einmal nach Valencia, denn dort befand sich der Leihwagen, der die einzige Möglichkeit war, uns vor einigen Wochen aus dem französischen Nirgendwo zu holen. Der jedoch irgendwann auch wieder ins Department 46 zurück musste, wenn der Bon vierstellig bleiben sollte.
Der ungeplante Ausflug war klimatisch zwar nicht die erhoffte Offenbarung, brachte aber zumindest eine Mittagspause in den tobenden Fluten mit sich. Hätte man außerhalb der Saison Interesse an Baywatch, wäre mit Sicherheit die rote Fahne gehisst worden. So konnte ich ungestört in die meterhohen Wellen. Am Tag danach (und davor) war es bei uns ausschließlich herbstlich. Das Mittelmeer erinnerte an die Nordsee, und war dafür überraschend lange zu sehen. Begleitet wurde der blanke Hans standesgemäß von anständig Wind und Regen. Doch zum Glück blieb unser Ort von Schlimmerem verschont. Wir wunderten uns eher über die ständigen spanischen Warnmeldungen auf unseren Telefonen. Erst am Folgetag, als wir unseren Weg in Richtung Frankreich antreten wollten, wurde uns das ganze Grauen bewusst. An einer Stelle senkrecht weggebrochener Boden, der fünf Meter in die Tiefe führt, an der anderen trockener Boden. Auf der einen Seite geflutete Felder, auf der anderen die übliche Herbsttrockenheit. Gesperrte Straßen, voll mit Schlamm, Palmenresten und Schilf, zusammengebrochene Telefonnetze, vom Internet ganz zu schweigen. Alles erinnerte an Element of Crimes „Am ersten Sonntag nach dem Weltuntergang“. Für den Teil, der normalerweise maximal eine Stunde braucht, waren wir vier Stunden unterwegs. Und am Ende doch dankbar, dass unser einziges Problem darin bestand, zu spät fürs Abendessen in Frankreich anzukommen.
Unwirklich, dass nach all dem Regen heute in Frankreich die Sonne schien. Noch unwirklicher, dass das Auto repariert war. Laut dem freundlichen Mechaniker war das Getriebe wirklich platt, aber jetzt wieder bestens hergestellt. Freundliche Konversation, Übergabe, Bezahlung und Abfahrt waren am Ende in weniger als einer Viertelstunde erledigt. Etwas weniger schnell ging anschließend jedoch die Abgabe des Mietwagens vonstatten. Das freundliche Personal verstand sich eher auf Autos als auf Tarifberechnung. Die unglaublich hohen Beträge mussten erst am Computer, dann am Smartphone und finalement am Taschenrechner überprüft werden. Um zuletzt im Plenum diskutiert zu werden. Während man in Villeneuve noch debattierte, hatte Neustadt - ganz sales boches - den horrenden Betrag bereits abgezählt. Mit Zeitverzug ging es weiter, zumal bestens gelaunt wegen des unverhofften Autotauschs und des vertrauten Gefährts. Nichts geht doch darüber, am Ende eines erfolgreichen Tages in sein großes Bett zu fallen.



Montag, 21. Oktober 2024

Community Payback

Es scheint ungerecht. Diejenigen, die ständig missionieren, der Herbst sei die schönste Jahreszeit, das goldene Laub und so, sind nie diejenigen, die die ach so bunten Blätter wegfegen. Meiner Individualempirie zufolge sind es stattdessen immer die, die berechtigte Vorbehalte gegen die aktuelle Saison haben. Dass ich jetzt an der Hand eine Blase vom Fegen habe, verbessert die Situation nicht. Und das, obwohl ich gestern von Anfang an Handschuhe zur Prävention trug. Wahrscheinlich war es nicht allzu klug, sich direkt nach dem Besuch der Alsterschwimmhalle an den Besen zu begeben, als die Haut noch ein wenig aufgeweicht war. Doch was will man machen, wenn es dabei nicht stockfinster sein soll? Ein weiterer Grund, dem Herbst nicht gewogen zu sein: die frühe Dunkelheit. Nachts sind alle Blätter grau. Und der Rückschritt „Umstellen auf Winterzeit“ folgt erst. 
Natürlich gab es in letzter Zeit auch überraschend schöne Erlebnisse. Den Antrittsbesuch in der neuen Wohnung der Tochter, einem Hotspot für Trainspotter (das war für mich allerdings nicht das Highlight), oder den ersten Probelauf mit dem neu erworbenen Staubsauger. Leistung und Licht machen den Wohnungsputz zu einem Reinigungserlebnis. Leider offenbart die Beleuchtung nun erst recht die untragbaren Hygienezustände in meiner Wohnung. Doch das Beste: Die vergleichsweise hohen Temperaturen bescherten mir noch ein paar Zusatztage in offenen Schuhen. An den Füßen immerhin keine Blasen.



Montag, 14. Oktober 2024

Ach, Herbst

Richtig zu Hause angekommen ist man erst, wenn man wieder bei den Glascontainerleerungen in Dunkelheit zugegen war (natürlich vor 7 Uhr). Egal, wie viel Arbeit und Geburtstagstisch-Improvisation voranging. Vergleichsweise spontan wurde mir mitgeteilt, an seinem Ehrentag werde der Sohn sich ebendiese in Hamburg geben. Es war schön, ein volles Haus zu haben. Weniger schön hingegen ist es, sich an die hiesigen Verhältnisse zu gewöhnen. Im Sommer in Deutschland abzureisen und im Herbst anzukommen, macht die Rückkehr nicht leichter. Allein meine Füße nach gut sechsmonatiger Pause an geschlossene Schuhe zu gewöhnen, könnte als Vollzeit-Job durchgehen. Gut durchdacht war immerhin, sich zum Einstieg in Herbst und Arbeit keine volle Woche zu geben. Nach einer halben Woche Kälte, Dunkelheit, angezählter Bäume und Aufenthalt in geschlossenen Räumen ohne Meer war ein Wochenende dringend erforderlich; wenngleich dieses ebenfalls in unzureichenden klimatischen Bedingungen verbracht werden musste. Und doch gab es auch hier positive Highlights. Mein einzig zitierfähiges von diesem Wochenende war der Satz: „Seit dem Osterpreisskat 1981 hatte ich keinen Korn mehr.“ Als ich ihn in meiner Begeisterung der Tochter zutrug, schrieb sie zurück: „Er hat einige Jahrzehnte gute Kornmischgetränke verpasst. Das muss dringend nachgeholt werden!“ Vermutlich liegt in solchen Programmpunkten der Charme dieser Jahreszeit.



Sonntag, 6. Oktober 2024

Wirtschaft

Im Traum war mir, als käme der Radau aus der Pilz-&Pils-Gaststätte, die mein Cousin und seine Frau irgendwo im Wald betrieben. Im Aufwachen freute ich mich sehr über das gastronomische Konzept bzw. den Namen, musste aber feststellen, in Wirklichkeit kam der Krach vom sonnabendlichen Vorfinale der hiesigen Strandsaison. Aus dem Club gegenüber, besser gesagt dem, was sich vor dessen Tür abspielte. Hauptverantwortliche schien Paola zu sein. Immer wieder kurios, dass die zumeist sonoren und etwas rostigen Frauenstimmen unter Alkoholkonsum nicht nur deutlich lauter, sondern auch merklich hochfrequenter werden. Außerdem klingen Dialoge zwischen zwei bis vier Personen nach einer mindestens zweistelligen Gruppe und immer nach intensiven Streitgesprächen. Um bei bestätigten Vorurteilen zu bleiben: Was den Männern an kieksigen Stimmen fehlt, machen sie mit Motorengeräuschen wett, unbedingt flankiert durch quietschende Reifen und, wenn es keine Motorräder sind, auch durch Türenknallen. In Sachen Schlaf war die heutige Nacht sicherlich keine Erfolgsgeschichte - und doch bin ich betrübt, das spanische Saisonfinale in der herbstlichen Stille der voraussichtlich nebligen Hansestadt verbringen zu müssen.



Donnerstag, 3. Oktober 2024

Festivo

Heute ist einer der wenigen Tage, an denen in Deutschland ein Feiertag begangen werden darf und hier nicht. Vermutlich aus Ärger darüber rächt man sich hier mit einer roten Flagge. Obwohl traumhafte Bedingungen sind: Das Mittelmeer spielt Atlantik, ein vermeintlich kalter Nordwind sorgt für gleiche Wasser- und Lufttemperaturen (24°), Meer und Himmel versuchen sich gegenseitig mit dem schöneren Blau zu überbieten. Aus freiwilliger Selbstkontrolle habe ich mir 7/8-lange Hosen angezogen. Sonst wäre ich zu traurig, nicht im verlockenden Wasser baden zu dürfen. Es geht doch nichts über feuchte Wadenwickel am Tag der deutschen Einheit. Reine Grippefurcht im Herbst.







Dienstag, 1. Oktober 2024

Traumhaft

Heute Nacht träumte ich, mich in Deutschland zu befinden. Nicht vollständig abwegig, aber im Moment nicht zutreffend. Unterschwellig hörte ich das Meeresrauschen, verarbeitete es gedanklich allerdings zu anhaltendem ergiebigen Regen. Möglicherweise zu Unrecht meckere ich unterbewusst am heimischen Frühherbstwetter herum. 

Ich hatte den Auftrag für eine gesichtslose Person aus meinem Umfeld ein veganes Hortensien-Steak zu besorgen. Dies versuchte ich an allen Ecken und Enden einer Shopping Mall in irgendeinem Obergeschoss. Ich ließ keinen Laden aus, selbst nicht die Bank, die sich im Umbau befand und nur mit Pappkartons an den Wänden verkleidet war. Endlich wurde ich in einem Reformhaus oder einem ähnlich protestantisch-freudlosen Geschäft fündig. Die Kassiererin sang ein Hohelied auf dieses Hortensien-Steak im Besonderen. Es sei das beste seiner Art. Ich fand, es sah eher aus wie ein Leberkäse. Doch als Nicht-Veganerin steht mir in dem Punkt kein Urteil zu. Ich brachte es in die Wohnung der mir bekannten, aber gesichtslosen Person. In deren Esszimmer befanden sich alle möglichen Aufsteller, die offensichtlich seit der Bankrenovierung entbehrlich waren (Kreditangebote, Immobilienschätzung etc.; von der blau-gelben Farbgebung her tippe ich auf die Postbank). Die erfreute Empfängerin machte die vegane Delikatesse warm, aß sie mit Genuss und unter lautem Lob auf. Um anschließend mit der gleichen Hingabe einen großen Teller spanischen Schinkens zu leeren. Ich bin mir nicht ganz sicher, welche Deutung dieser Traum erfahren könnte. Aber ich bin mir ganz sicher, dass ich mit Hortensien-Steaks dem nächsten veganen Trend auf der Spur bin.