Freitag, 26. Februar 2021

Nachbereitung

Etwaige Freude über die Heimkehr wurde im Keim erstickt, als ich noch beim Ausräumen des Autos bemerkte, dass die Handwerker als kleines Abschiedsgeschenk die Verpackungen der Dämmplatten vor meine Wohnungstür gelegt und damit als entsorgt deklariert hatten. Wahrscheinlich anstelle einer Endabnahme. Dass sie nicht die Entsorgungsexperten sind, dämmerte mir schon, als sie ihre Putzreste am Ende eines jeden Arbeitstages versuchten, in der Toilette herunterzuspülen. Mit dem Effekt, dass mich der nicht zu entfernende Mörtel dort in der Zwischenzeit an sie erinnerte, wenn sie es nicht einrichten konnten weiterzuarbeiten. Es geht doch nichts über ein gut gedämmtes Klosett! Auch das Schlafzimmer, der eigentliche Ort des Verbrechens, zeugte von veritabler Müllhalde. Das gesamte Zimmer ist von oben bis unten mit einer fast fingerdicken Putzschicht bedeckt, die aussieht wie Puderzucker, der einmal zu oft durch dreckige Kinderhände ging, und sich ähnlich klebrig verhält. Daneben finden sich noch größere Putzbrocken und Farbreste. Ich glaube, ich weiß, mit welcher Beschäftigung ich die Wochenendstunden verbringen werde, die nicht durch den Hauptjob verbraucht werden.
Einen Tag nach meiner Rückkehr ins beschauliche Dorf tauchte auch der Sohn hier auf. Nachdem er sich nach meinem Wohlbefinden erkundigt hatte, war sein erster Gang selbstverständlich zum Kühlschrank. Er verharrte einen Moment kontemplativ vor ihm und fragte anschließend, was ich mitgebracht habe. Ich verstand die Frage nicht. Er, etwas ungnädig, was ich von Oma und Opa mitgebracht habe. Wieso? Na, weil Oma doch immer etwas zu essen mitgebe. Stimmt auch wieder. Und außerdem, was in dem Topf sei. Rehkeule, von meinem Onkel geschossen und von meiner Mutter à la bonheur zubereitet. Das esse er nicht. Ich vermutete ethische Gründe, die gegen einen Verzehr sprachen. Bambi und so. Doch weit gefehlt: es gefalle ihm deswegen nicht, weil es „nicht mal fett“ sei. Stimmt auch wieder. In dem Fall muss ich alleine  für die Vernichtung sorgen und ebenso werden.

(Spätwinterliches Stillleben)

Mittwoch, 24. Februar 2021

Urlaub

Zwei Tage Wochenende, ein Tag Arbeit in verlagertem Home Office und zwei Tage Urlaub haben mich im Gefühl für die Wochentage durcheinander gebracht. Morgen sei Donnerstag, heißt es. 
Das Gute ist: Heimarbeit - nun wieder am gewohnten Ort - funktioniert auch mit Muskelkater in den Armen. Dieser hat den Ursprung in der Feierabendbrigade, die ihren Einsatz im Garten meiner Eltern hatte. Im Grunde mehr eine Blindenwerkstatt, denn mit der andauernden, überraschend warmen, wenngleich recht tiefstehenden Sonne sahen wir wenig bis nichts beim Beschneiden der Apfelbäume. Dafür bekamen wir den ersten, wenngleich harmlosen Sonnenbrand. Fühlte sich fast wie richtiger Urlaub an. Wer braucht da schon zwei Wochen frei, Meer oder Spanien?



Donnerstag, 18. Februar 2021

Contenance!

Die anhaltende Isolation sorgt dafür, dass ich mehr und mehr verrohe. Da es keinen großen Geist stört - Karlsson vom Dach schon gar nicht - fluche ich bei der Arbeit lautstark über jeden kleinen Fehler. Es gelingt mir selten, mich daran zu erinnern, dass der Sohn in der Nähe sein könnte. Unterdessen fällt es mir immer schwerer, in Videokonferenzen nicht mit den Augen zu rollen und asiatische Gesichtsbeherrschung zu wahren. Vielleicht ist die Vorstellung der Normalität doch nicht so erstrebenswert, wenn alle erzwungen Soziophoben wieder auf einander losgelassen werden? Im Moment hoffe ich noch, dass ich aktuell hauptsächlich die falschen Leute treffe. Denn in den wenigen Live-Begegnungen, die das derzeitige Leben so mit sich bringt, zeige ich mich gelegentlich unfähig, die mitteleuropäischen Höflichkeitsstandards aufrecht zu erhalten. Gestern beispielsweise standen zwei Nachbarn vor der Tür. An der Außenwand meiner Wohnung zu unserer Halle sei ein Wasserschaden. Ob dieser auch innen zu beobachten sei. Ja, natürlich, fauchte ich einen von ihnen an. Genau den, der mir bei der letzten großen Schneeschmelze, als das Gleiche passierte, suggerieren wollte, dass der Schaden vermutlich durch meine Waschmaschine entstanden sei. Der, der damals das hiesige Haus-Mantra vortrug, das zu allen Mängeln in der Peripherie der Eigentümer/innen (also nicht-genossenschaftlich) wiedergegeben wird: „Wir beobachten das.“ Vollends ungehalten wurde ich, als er fragte, ob er heute mit dem Handwerker durch meine Wohnung über meinen Balkon aufs Hallendach gehen dürfe. Nicht dass da Blumentöpfe im Weg seien. Wieder fuhr ich ihn an, natürlich seien an der Reling meines Balkons Blumenkästen, aber sie seien doch wohl hoffentlich in der Lage, diese gegebenenfalls wegzunehmen, ohne sie dabei zu zerstören. Wie soll ich so mein Tourette im Zaum halten? Zumal die Erwähnung der Blumenkästen mich an den Zentner Blumenzwiebeln gemahnte, die ich dieses Jahr somit noch später versenken kann als im letzten. Darob musste ich mich über mich selbst ärgern. Auch wenn Osterglocken zu Pfingsten bestimmt ganz nett aussehen. Ich beherrschte mich also einigermaßen und stimmte, nur leise grummelnd, ihrem angekündigten Wohnungstransit zu. Der eigentliche Erfolg über die eigene Schrulligkeit ist jedoch, dass ich ihn nicht sofort mit meiner Flinte erschoss und seinem Leichnam ein beherztes „Schätze, die Stadt ist zu klein für uns zwei!“ hinterher rief.



Dienstag, 16. Februar 2021

Winter

Einen Vorteil hat der viele Schnee immerhin: tags wie nachts sorgt er für deutlich mehr Helligkeit. Als ich gestern gegen Mitternacht ins Bett ging, hätte ich mir von den Lichtverhältnissen her einbilden können, wir befänden uns um Mittsommer. Es war allerdings zu leise. Als heute früh der Wecker klingelte, war es auch schon heller als sonst. Daneben könnte ich der dicken  Schneeschicht zugestehen, dass sie sich für Workout-Zwecke eignet. Als ich uns gestern Abend Essen holte (der Sohn war vorher bereits draußen und war danach platt), entsprach der Weg nahezu einer Crosstrainer-Einheit. Dieser schmollt übrigens ob der Untreue, indem er bei Bewegung - soll vorkommen - knackt. Das nur als kleinen Exkurs. Auf meinem Besorgungsgang sah ich für die späte Uhrzeit überraschend viele Menschen. Viele Eltern kleinerer Kinder zogen müde Kinder auf Schlitten durch die Gegend. Wie gut, dass sie heute Morgen wenigstens nicht an unmenschliche Kita- und Schulstarts gebunden sind. Viele Erwachsene stapften durch den Schnee und pausierten nur, um sich auszuruhen oder zu fotografieren. Zwei junge Männer versuchten, ein Auto vom Schnee zu befreien. Der eine strahlte und war mit Verve dabei. Er rollte ihn vom Dach und baute die fetten Kugeln neben einem Hauseingang auf (in meiner Hoffnung wurde es schließlich ein Schneemann). Sein Kollege war eher lustlos bei der Sache. Schob mit bloßen Händen das lästige Zeug zur Seite und meinte dann: „Alter, meine Hände sind tot!“ Mehr Positives wird von mir über diese Jahreszeit und ihre Ausprägungen nicht zu hören sein. Ich mag den Winter nicht, mochte ihn noch nie und werde in diesem Jahr ganz bestimmt nicht damit anfangen.




Freitag, 12. Februar 2021

Aufregend

Es soll nicht heißen, in diesen Zeiten passiere nichts. Neben wüsten Träumen bleibt uns schließlich der Lebensmitteleinkauf. Dabei kommt es manchmal zu Begegnungen mit echten Menschen. Wie zum Beispiel heute Abend. Eine Mutter und ihr fünf- bis sechsjähriger Sohn kauften zeitgleich mit mir im Supermarkt ein. Zuerst frohlockte der Junge über seinen eigenen (Kinder-)Einkaufswagen. Dann lieferte er sich Kämpfe mit seiner Mutter, weil keiner seiner Wünsche den Weg in seine Karre finden durfte. Nicht einmal Salat gewährte sie ihm, diese alte Spaßbremse. Ungeachtet dessen belud er sein schönes Fahrzeug mit allem, was ihn ansprach, während seine Mutter etwas entfernt zielgerichtet einkaufte. In der Kassenschlange traf ich die beiden wieder. Die Mutter warf einen kritischen Blick in den Wagen ihres Kindes und beschied, es müsse alles wieder zurücklegen. Betrübt hob der Junge die Tüte mit einem Pfannkuchen mit Guss, some say Berliner, hoch (die er mühevoll selbst befüllt hatte, im Gegensatz zu seiner Begleiterin beobachtete ich seine Anstrengungen) und fragte: „Auch das?“ Seine Mutter zeigte sich unerbittlich, auch das müsse er zurückbringen. Außerdem dürfe er es „sowieso nicht essen, das sei mit Alkohol“ (Nice Try, Muddie! Auch wenn es nicht stimmte.) Seine Antwort rettete meinen Tag: „Was ist Alkohol? Ich probier‘ das mal!“ Darauf ein Glas Wein!



Donnerstag, 11. Februar 2021

Ein Glück!

Als heute früh der Wecker klingelte, holte er mich aus einem Traum. Und das war auch gut so. Realismus habe ich bereits am Tag genug. Er handelte von Teilen meiner Ex-Schwiegerfamilie, genau genommen in Person der Schwiegermutter, Schwägerin und ihrem Sohn bzw. Bruder. Diese befanden sich vor dem Balkon auf einer Picknickdecke. Kurioserweise war das Setting im ehemaligen Haus meiner Großeltern, so dass ihr Zusammensein zwischen den Straßenbäumen stattfand, wenngleich mit schönem Ausblick und im Sommer. Die direkte Prä-Wecker-Phase bestand darin, dass meine Ex-Schwiegermutter ins Haus zurückkam, sich unsere Blicke begegneten und sie ihre vorherige Strategie, mich vollständig zu ignorieren, aufgeben musste. Maliziös lächelnd meinte sie nach dem optischen Showdown: „Na, Anja?“ Ich will nicht behaupten, Lucky Luke zu sein, aber selbst im Traum war ich - vor allem zu dieser Uhrzeit! - vergleichsweise schlagfertig, indem ich nach nur kurzer Bedenkzeit mit „Na, Hilde?“ konterte (ein Name, der fast genauso scheußlich ist wie das Original und recht ähnlich klingt). Obwohl ich diese Situation gut meisterte, war sie insgesamt so anstrengend, dass ich, höchst seltenes Phänomen, dankbar fürs Wecken war. Auf die Weise kann ich die Heimarbeitisolation als echte Erleichterung empfinden. Schickt uns realitätsnahe, schlechte Träume und schon murren wir nicht mehr - so einfach könnte Politik sein!

Montag, 8. Februar 2021

Wetten?

Mit der Glascontainer-Leerung beginnt auch diese Woche vorfristig. Die Aufregung, was sie wohl bringen wird, lässt sich - wie in den vergangenen Wochen des Jahres - kaum bewältigen.
Wird eine Wochenarbeitszeit von unter 50 Stunden zu schaffen sein? Wird die Technik seltener aussetzen als in den Vorwochen? Wie häufig werden Calls und das Klingeln des Paketboten kollidieren? Wird der Sohn den Müllsack herausbringen wie letzte Woche angekündigt? Sollte es an meiner Baustelle im Schlafzimmer nach mindestens anderthalb Wochen Pause weitergehen und ich es auch irgendwann wieder nutzen können? Wird ein Millimeter der angekündigten 30 bis 90 Zentimeter Neuschnee fallen? Wird die Tochter die Bewerbung schreiben/anfangen, bei der ich ihr helfen sollte? (Notiz am Rande: Habe die Weltformel gefunden, wie ich mich in Bestzeit meiner Kinder entledige. Einfach fragen, ob wir es, also Bewerbung schreiben, Lernen oder Ähnliches, jetzt in Angriff nehmen wollen. Nie verschwinden sie schneller in ihren Zimmern.) Werde ich wieder viele Kilometer auf dem Crosstrainer schaffen? Werde ich einen Menschen außerhalb dieses Hauses treffen? Einzig die Frage, ob sich an den aktuellen Regeln etwas ändern wird, bleibt unspannend. An dieser Stelle wird es doch mindestens bis Ostern keine Ausbrüche aus dem Einerlei geben. 

Freitag, 5. Februar 2021

Politik für Anfänger

Meine Vermutung ist, dass uns Frau Merkel als Vermächtnis ihrer diversen Amtszeiten mitgeben möchte, was exponentielles Wachstum bedeutet. Es sei, dass Stand Anfang Februar etwa zwei Prozent der Bevölkerung geimpft sind. Nehmen wir anhand unserer Individualempirie an, dass bis Ende Mai ungefähr alle Über-Achtzigjährigen der Republik ihre zweite Dosis abbekommen haben. Dann muss anschließend das Impfaufkommen richtig abgehen, wenn alle, die wollen, bis Ende September ihre Spritzen abgeholt haben. Das also ist damit gemeint. Wenn das die faktenbasierte Berechnung einer Physikerin darstellt, habe ich überhaupt keine Sorge vor der Kanzlerschaft eines Germanisten.

Mittwoch, 3. Februar 2021

Herkunft

Die Kinder machten heute etwas Verrücktes. Sie kauften ein und bereiteten anschließend zusammen  ein Essen. Begünstigt wurde die Gemeinsamkeit durch die Tatsache, dass die Tochter diese Woche zur „Cheat Week“ deklariert hatte. Auf die Weise lassen sich mehr konsensfähige (im Zweifel hochkalorische) Speisen finden. Bevor sie zu ihren Besorgungen loszogen, bat ich sie noch, den Pfandbon mitzunehmen, den ich im Gegensatz zu seinem Vorgänger nicht nur einmal unverrichteter Dinge mit nach Hause brachte, sondern gleich an zwei aufeinander folgenden Tagen. Nach mehrfacher Erinnerung der Schwester dachte der Sohn am Ende sogar an den Zettel.
Wenngleich mit viel Schneematsch und Split unter den Schuhen, aber gut gelaunt, kehrten die beiden zurück. Ehe sie sich an die Arbeit machen konnten, musste die Tochter noch etwas loswerden: „Mama, dein Sohn kommt nach dir!“ Das höre ich nicht zum ersten Mal, obwohl in letzter Zeit zunehmend seltener. Ich vermutete, sie meinte Äußerlichkeiten, doch es ging ihr um Wesenszüge: Er habe an der Kasse den Pfandbon vergessen. Der „kleine“ Bruder sei aber noch einmal  zurückgegangen und habe sich das Guthaben auszahlen lassen, schob sie anerkennend nach. Umso besser, denn somit besteht die Hoffnung, dass er in seinen jungen Jahren noch gegen die genetische Prägung angehen kann. 

Montag, 1. Februar 2021

Weiter geht‘s

Die Tage verstreichen. Zwar haben sie unterdessen merklich mehr helle Stunden, aber echtes Vergnügen will nicht aufkommen. Ein Ausgleich fehlt. Auch das seit ein paar Tagen herrschende Winterparadies kann meine Stimmung nicht aufhellen. Ich bin eben mehr der Sommertyp. Sagte auch schon die Farb- und Stilberaterin. Immerhin können sich die Kinder über Schnee freuen. Sogar der Sohn frohlockte. Als er selbst Kind war, fand er den Winter eher unattraktiv. Nur zu gut erinnere ich mich ans Schlittenfahren im Jenisch-Park, als die Tochter vergnügt die Hänge herunter sauste, während der etwa zweijährige Sohn unbewegt-frierend an meinem Rockzipfel hing und „Mama, Spaaaaanien!“ jaulte. Heutzutage freut er sich vor allem stellvertretend für Kinder und Hunde, die in unserem dörflichen Winterwunderland herumtollen. Er wird wohl wirklich langsam erwachsen.